Xanten Ein Leben für die Musik im Chor

Xanten · Am 4. Mai wird Winfried Kocea 85 Jahre alt, dann blickt er zurück auf mehr als 65 Jahre, die er der Musik gewidmet hat, mit ganzem Herzen, aber auch mit eiserner Disziplin. Der Wardter hat an der Folkwanghochschule in Essen studiert.

 Der junge Winfried Kocea als Dirigent der Chorgemeinschaft Wanne-Eickel (Singschule, Kinderchor, Jugendchor) bei einem Konzert im Saalbau.

Der junge Winfried Kocea als Dirigent der Chorgemeinschaft Wanne-Eickel (Singschule, Kinderchor, Jugendchor) bei einem Konzert im Saalbau.

Foto: Kocea

Sein Markenzeichen sind die buschigen Augenbrauen, seine Leidenschaft gilt der Musik, dem Gesang: Tausenden jungen Menschen hat Winfried Kocea das Singen nicht nur bei-, sondern auch nahegebracht, hat die Sängerjugend Deutschland gegründet, Chöre im gesamten Revier und in Xanten 40 Jahre lang die Liedertafel Orphea geleitet (die es heute leider nicht mehr gibt), aus 50 Schülern der Walter-Bader-Realschule vor vielen Jahren einen Chor "gemacht" und mit ihm Konzerte gegeben, in Frankreich, in Wien, an vielen weiteren Orten.

Imposant wie der Jubilar selber ist auch sein Orgelzimmer in dem rund 400 Quadratmeter großen Haus am Bossacker, in dem seine drei Söhne und die Tochter groß geworden sind und in dem er heute mit seiner Frau Barbara (74) alleine lebt. Noch. Denn die beiden wollen sich "kleiner setzen", die Oase der Ruhe verkaufen, in zwei Jahren eine kleinere Katstelle in Wardt beziehen. Einmal Wardter, immer Wardter: 40 Jahre hat Winfried Kocea an einem Gymnasium in Wanne-Eickel unterrichtet ("da, wo auch Heinz Rühmann sein Abitur gemacht hat"), war Fachlehrer für Musik und Latein, - aber ins Ruhrgebiet umgezogen ist er trotzdem nicht, auch wenn er noch heute sagt, dass es dort "die schönsten Chorstimmen gibt".

 Die Orgel hat Winfried Kocea sich von Siegfried Sauer aus Höxter bauen lassen, mit drei Manualen und einem Glockenspiel.

Die Orgel hat Winfried Kocea sich von Siegfried Sauer aus Höxter bauen lassen, mit drei Manualen und einem Glockenspiel.

Foto: Olaf ostermann

Sein Abi hat Winfried Kocea am Xantener Stiftsgymnasium gebaut, danach an der Folkwanghochschule in Essen Musik studiert. "Da hat er jeden Samstag den Hof gefegt, für fünf Mark in der Stunde. Und musste für die Damen von Krupp immer antanzen, für sie auf der Orgel und dem Klavier kleine Konzerte geben", erzählt seine Frau Barbara, die aus Wanne-Eickel kommt und die Winfried Kocea über ihre Schwester kennengelernt hat, der er Geigenunterricht gegeben hatte. Das ist schon mehr als 50 Jahre her, letztes Jahr haben die beiden Goldene Hochzeit gefeiert.

Zurück zu einer Persönlichkeit, die unzählige Chöre geleitet und aufgebaut hat, die erste Jugendkunstschule in Wanne-Eickel gegründet hat, von denen es bundesweit inzwischen 200 gibt. Eine Persönlichkeit, dessen Kinder sonntags morgens durch sein Orgelspiel geweckt wurden und die alle ein Instrument lernen mussten - welches, das konnten sie sich aussuchen, aber sie mussten es bis zum 18. Lebensjahr tun. "Unsere Kinder haben uns oft sicher oft verflucht, aber heute sind sie uns dankbar", sagt Barbara Kocea.

Noch heute setzt sich ihr Mann gerne an die Orgel, die er sich von Siegfried Sauer aus Höxter hat bauen lassen, mit drei Manualen und einem Glockenspiel. "Da sind fantastische Stimmen drin", schwärmt er; "unsere Nachbarn sind sehr tolerant", erklärt seine Frau und lacht. Dass er einmal seinen 85. Geburtstag würde feiern können, hätte Winfried Kocea nie gedacht. Der Vater, Dorflehrer in Wardt, ist mit 47 gestorben, die Mutter mit 58. Heute sieht er das anders: "Dirigenten werden 100", sagt er laut Gattin immer.

Ein Leben ohne Musik? Für den (fast) 85-Jährigen, der 'mal den Ku'damm in Berlin für das Deutsche Sängerbund-Fest hat sperren lassen und 1968 in Stuttgart mit 5000 jugendlichen Chorsängern die Oper "Arche Noah" von Benjamin Britten aufgeführt hat, nicht denkbar. Aber wenn man die Oktave an der Orgel nicht mehr so gut greifen kann, weil die Gelenke nicht mehr so wollen wie man selber, dann muss man sich wohl fügen. Schöne Konzerte im Xantener Dom und in Kevelaer besuchen Winfried und Barbara Kocea aber noch heute. "Seine bahnbrechenden Aktivitäten vor allem für Kinder und Jugendliche könnten Bücher füllen", hatte Dr. Karl Adamek in seiner Hommage zum 80. Geburtstag für den Wardter geschrieben, "der mehr als 1000 Chorleiter für Kinder- und Jugendchöre nach einem eigenen innovativen Konzept ausgebildet und damit neue Maßstäbe gesetzt hat". Über die ein oder andere Begebenheit aus diesem Leben wird er sicherlich auch den Gästen erzählen, die ihm am Donnerstag, 4. Mai, zum Geburtstag gratulieren, der ab 11 Uhr im Hause Kocea am Bossacker 10 gefeiert wird.

(jas)
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