RP-Serie Niederrhein Voller Energie Die Müllverbrennung sorgt für warme Räume

Xanten · Eine einfache und erfolgreiche Idee: Abwärme aus Kraftwerken und Industrieanlagen, die sonst verpufft, wird als Fernwärme für die Heizung öffentlicher und privater Gebäude genutzt.

Das Jahr 1913 gilt als Geburtsstunde der Fernwärme in Deutschland. In Leipzig entstand das erste Netz. Das Städtische Leihhaus, das mit einer Sparkasse auf Pfandleihbasis zu vergleichen ist, erhielt Abdampf, der dort für angenehme Wärme in den Büros sorgte. Dieser Abdampf stammte aus einem nahegelegenen Elektrizitätswerk, wo er bereits als Frischdampf über Dampfmaschinen und Generatoren Strom erzeugt hatte.

Schnell wuchs das Leipziger Fernwärmenetz, an das Schulen, Kirchen und Privatgebäude angeschlossen wurden. Ein gutes halbes Jahrhundert nach Leipzig kam die Idee der Fernwärme nach Moers. Die Grafenstadt beteiligte sich 1967 an der Fernwärme Niederrhein GmbH, die ab Anfang 1968 ein Fernwärmenetz in Moers aufbaute.

Anders als in Leipzig, wurde dieses von Anfang an mit Heißwasser gespeist. Ausgangspunkt war die Siedlung in der Mattheck, die damals aus dem Boden schoss. Bis zum Beginn der 80er Jahre waren in und um den Stadtkern die meisten größeren Gebäude an das Netz angeschlossen. Anfang der 90er Jahre kam auch die Meerbecker Siedlung hinzu. So erhielt Straße um Straße Fernwärme, als sie saniert wurde.

Die Fernwärme wurde zunächst in ölbefeuerten Heizzentralen erzeugt. Später gab es auch ein Gasheizwerk im ehemaligen Kesselhaus von Schacht IV des Bergwerkes Rheinpreußen. Seit 1980 besteht der Wärmeverbund Niederrhein. Durch diesen fließt zum Beispiel Abwärme aus dem Stahlwerk von Thyssen-Krupp in Duisburg, dem Kraftwerk in Walsum oder dem Chemieunternehmen Sachtleben in Homberg ins Netz. Die Abwärme hatte bis dahin die Luft und das Rheinwasser erwärmt. So wurde die Leipziger Idee aufgegriffen, Abwärme aus Kraftwerken und Industrieanlagen, die sonst verpufft, für die Heizung öffentlicher und privater Gebäude zu nutzen, um so die Umwelt von Abgas, insbesondere Kohlenstoffdioxid, zu entlasten.

Diese Idee wurde auch umgesetzt, als 1997 die zwei Müllöfen im Abfallentsorgungszentrum Asdonkshof an der Stadtgrenze von Kamp-Lintfort und Rheinberg angefeuert wurden. Mit der Wärme der Müllverbrennung wird Dampf produziert, der über Turbinen Strom erzeugt. Der Abdampf sorgt für heißes Wasser, das das Kamp-Lintforter und Neukirchen-Vluyner Fernwärmenetz speist.

Die Repelener Siedlung, die in den 1920er und 1930er Jahren entstand, wurde Ende der 90er Jahre Straße für Straße an die Fernwärme angeschlossen. Seit 2000 versorgt die Enni dort 1216 Wohneinheiten mit der umweltfreundlichen Energie. Sie stammt aus einer gasbefeuerten Heizzentrale. Zudem erhalten seit Ende 2014 Kunden in Neukirchen-Vluyn Fernwärme der Enni.

Seit 2009 produziert Enni Fernwärme auch CO2-neutral. Auf dem Moerser Eurotec-Gelände steht ein Biomasse-Heizkraftwerk. Mit Holz erzeugt es Wärme für 3200 Haushalte und Strom für 5000.

2014 erhielt Enni den Zuschlag für die Wärmekonzession in Neukirchen-Vluyn. Die Fernwärme kommt aus dem Entsorgungszentrum Asdonkshof. Zunächst nahm Enni die 32 Kilometer Wärme-Rohrnetz genau unter die Lupe. Dabei untersuchte das Unternehmen jeden einzelnen Netzmeter mit einer Wärmebildkamera. Die Ergebnisse sind die Basis für ein tragfähiges Zukunftskonzept. Auf dem ehemaligen Zechengelände Niederberg wurde bereits mit der Erneuerung von Leitungen begonnen. Dort entsteht ein neues Wohngebiet.

Einen Boom für die Fernwärme könnte es geben, wenn die Bundesregierung bei der Energiewende dem Beispiel der dänischen Regierung folgt. Ab 2016 sind dort Öl- oder Gasheizungen verboten. Über die Hälfte der Haushalte sind an das Fernwärmenetz angeschlossen, vor allem in Städten, in denen es einen Anschlusszwang gibt, falls ein Anschluss möglich ist. Die anderen versorgen sich über Erdwärme, Solarkollektoren und Holzpelletheizungen mit Wärme. Das heiße Wasser der Fernwärme wird vor allem über industrielle Abwärme und Kraftwerke erzeugt. Anders als in Leipzig vor gut 100 Jahren wird dort allerdings nicht Braunkohle verbrannt, sondern Holz oder Biogas.

(RP)
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