Zum Sonntag Die Botschaft der Martins

Xanten · Als vor 90 Jahren das Martinskomitee in Alpen gegründet wurde, kam der evangelische Pastor Schmitz in die Versammlung und sagte, er kenne nur einen Martin, und das sei Martin Luther. Heute gehen wir zum Glück ein wenig entspannter und respektvoller mit "unseren Martins" um, weil beide Kirchen erkennen, dass es in keinem Fall nur um Folklore oder Äußerlichkeiten geht. Beide Martins haben ernsthafte Botschaften, die größte Bedeutung für unsere aktuelle Kultur, unsere Ethik und die derzeitige Wertediskussion haben. Die Szene von der Mantelteilung ist eben beileibe nicht nur ein Kinderspiel.

Wir erleben ja in diesen Tagen schmerzlich, dass humanitäres Verhalten dem Menschen offensichtlich ganz und gar nicht innewohnend oder angeboren ist. Mitmenschlichkeit braucht eine Überzeugung, womöglich sogar eine Art Selbstbezwingung, um sich mit Kraft und Mut dem Nächsten zuzuwenden. Man muss mit seinem eigenen Egoismus ringen und das ist nicht immer leicht.

Darum ist Barmherzigkeit eine christliche "Errungenschaft", die auch weiter unsere Gesellschaft prägen sollte. Der Bischof von Tours, ein ehemaliger Soldat, ist darum ein Vorbild, an dem es sich lohnt zu orientieren. Natürlich sagen heute viele: Dazu braucht man keinen Gott, keinen Glauben, keine Religion. Mir scheint das immer ein wenig voreilig, mitunter sogar ein wenig überheblich zu sein, weil wir uns damit selbst überheben.

Martin Luther, ehemaliger Jurist, sagt, wir können Gerechtigkeit nicht aus eigener Kraft schaffen, sondern nur aus dem Glauben. Wir können uns nicht durch eigene Leistungen, auch wenn wir sie für noch so grandios halten, zur Erlösung führen. Wir würden uns dann nur selbst rechtfertigen und in unsere eigenen Werke verlieben. Ohne das Vertrauen, dass es etwas gibt, das über uns steht und unserer Schwachheit aufhilft, ohne die Perspektive, dass uns etwas Höheres verbindet, dass jemand in mein Herz schaut und mich an Güte erinnert, würden wir den anderen schnell aus dem Blick verlieren und nur noch um uns selber kreisen. Den beiden Martins ging es also offenbar nicht um ihre Ehre, sondern allein um Christus.

AUTOR DR. HARTMUT BECKS IST PFARRER DER EVANGELISCHEN KIRCHENGEMEINDE ALPEN. FOTO: GEMEINDE

(RP)
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