Porträt Hermann Terboven Der Mann, der die Schule geliebt hat

Xanten · Hermann Terboven (66) hat vier Jahrzehnte an der Hauptschule Alpen unterrichtet - zuletzt als Chef. Jetzt wird er Pensionär.

 Seine Schüler tragen Hermann Terboven auf Händen. Er hat immer einen guten Draht zu seinen Schülern gehabt. Strenge habe es nicht gebraucht, um gut klar zu kommen, sagt der scheidende Pädagoge. Morgen wird der 66-Jährige offiziell verabschiedet.

Seine Schüler tragen Hermann Terboven auf Händen. Er hat immer einen guten Draht zu seinen Schülern gehabt. Strenge habe es nicht gebraucht, um gut klar zu kommen, sagt der scheidende Pädagoge. Morgen wird der 66-Jährige offiziell verabschiedet.

Foto: Armin Fischer

Alpen Mit 66 ist Schluss - ein halbes Jahr nach dem gesetzlichen Verfallsdatum für beamtete Lehrer. "Man geht nicht mitten im Schuljahr", sagt Hermann Terboven. Vor einem Jahr hat der jahrelange Vize die Leitung der auslaufenden Hauptschule übernommen, als sein Chef Hans-Peter Becker pensioniert wurde. Er fand das selbstverständlich. Er wollte dann aber nicht noch ein Jahr dranhängen, bis auch die letzten Alpener Hauptschüler ins richtige Leben entlassen werden. Schließlich hat er selber noch viel vor.

"Vor einem Jahr habe ich noch gedacht, dass dieser Tag nicht ohne Tränen zu Ende gehen wird", sagt Terboven mit Blick auf den feierlichen Stehempfang zu seinem Abschied morgen früh. "Aber das nahende Ende der Hauptschule hilft mir, Distanz aufzunehmen."

Doch es darf als sicher gelten, dass es ein Morgen voller Gefühle wird. Wenn Hermann Terboven von seinen vier Jahrzehnten an der Hauptschule erzählt, leuchten seine Augen. Seine Liebeserklärungen an die Schule, vor allem an die Schüler, wollen kein Ende nehmen. Das Feuer für seinen Beruf brennt in ihm, das hört man in vielen seiner Sätze: "Ich habe den schönsten Beruf der Welt." Oder: "Ich habe nicht eine Minute in der Schule bereut." Oder: "Ich bin jeden Tag mit Freude zur Schule gegangen." Oder der wohl schönste Satz, der im Gespräch fällt - fast nebenbei sagt er ihn: "Es war immer das Schönste für mich, in die Klasse zu gehen und mich einfach fallenzulassen."

Sein Weg zur Schule war nicht weit. Ein paar Schritte davon entfernt hat er mit seiner Frau Mechthild - "ein Menzelner Mädchen" - sein Haus gebaut, als er 1976 seinen Schuldienst in Alpen angetreten hat. Dabei wäre er damals lieber an der Hauptschule in Xanten geblieben, wo er als Lehramtsanwärter das kleine ABC des praktischen Unterrichtens gelernt hatte. Heute findet er: "Ich hatte das Glück, dahin zu kommen, wo ich nicht hinwollte."

Hermann Terboven hat die Schule geprägt, als Lehrer, vielleicht noch mehr als Mensch. So genau ist das wohl gar nicht zu trennen. Und sie hat ihn geprägt. Fünf Klassen hat er von der Einschulung bis zur Entlassung als Klassenlehrer begleitet. Diese Aufgabe, die Verantwortung für die Gruppe, hat er sehr ernst genommen. Das Credo des pädagogischen Zehnkämpfers, der Mathe und Sport studiert hat: "Ein Klassenlehrer, der fachfremd unterrichtet, erreicht mehr als ein Fachlehrer ohne Draht zu seinen Schülern." 20 Klassenfahrten hat er unternommen. Sie seien unverzichtbar für eine gelungene Schüler-Lehrer-Beziehung.

Der Erzieher Hermann Terboven hat auch jenseits des Unterrichts Maßstäbe gesetzt mit vielen Projekt mit kleinen Schülergruppen. Ein "Meilenstein" war und ist die Partnerschaft mit der Firma Lemken, die "unschätzbaren Wert für die Berufsorientierung" habe. Die Beteiligung an den Börsenspielen der Sparkasse am Niederrhein machte den Schülern nicht nur "richtig Spaß", sondern brachte Geld in die Klassenkasse. Auf die Frage, ob er ein strenger Lehrer gewesen ist, kommt ohne Nachdenken eine klare, knappe Antwort: "Nein".

Er habe den Nerv der Schüler getroffen. Beispielsweise mit seiner Begeisterung für Kommunikationselektronik. So habe er das Handling von Smartboards, wie die intelligenten Tafeln heutzutage heißen, zusammen mit den Schülern erschlossen. Die waren begeistert. Er war mit allen Klassen über WhatsApp verbunden, hat oft sogar die Hausaufgaben "in die Gruppe gestellt". Technik, die begeistert, Unterricht, der ansteckt.

All das bleibt nicht folgenlos. Wenn er durch den Ort geht, trifft an jeder Ecke auf ehemalige Schüler, die ihn ansprechen, ihn fragen, wie's geht. "Obwohl sie nichts mehr von mir erwarten können." Die unverkrampfte Wertschätzung tut gut.

Trotzdem. Nun bricht eine neue Zeit an. Eine Schulchronik vom Anfang bis zum Ende möchte er schreiben, mit dem E-Bike die Region erkunden - "nie länger als zehn Tage von zu Hause weg"-, sich wie seine Frau in der Flüchtlingshilfe engagieren, Bürgerbus fahren. Fit hält er sich mit Schwimmen im Hallenbad vor der Haustür, drei Mal die Woche, morgens in aller Herrgottsfrühe um 5.30 Uhr. Nicht mehr 1,5 Kilometer, inzwischen nur noch 1000 Meter. Bahn rauf, Bahn runter - "immer gegen die Uhr", sagt der Schalke-Fan, der auch selbst mal gegen den Ball getreten hat.

Seine Tage dürften weiter zu kurz sein. Zumal der Bauernsohn auch einen großen Gemüsegarten beackert. Hier stehen allein 170 Tomatenpflanzen voller "zuckersüßer Cherrys", sagt er Vater von zwei erwachsenen Kindern und Opa von zwei Enkeln.

Und da ist in den nächsten vier Jahren auch noch die Politik. Dem Rat will er bis zum Ende der Wahlperiode angehören. In die Politik ist er Ende der 70er Jahre "eher zufällig" geraten. Heute ist er der Dienstälteste in der CDU-Fraktion. Eine "schwarze Socke" nennt er sich lächelnd. Er habe als Schüler mehrere Jahre auf dem Internat im münsterländischen Maria-Veen zugebracht. Da sei er von bayerischen Patres erzogen worden. "Die waren glühende Franz-Josef-Strauß-Fans. Das ist bei mir als Sohn eines Landwirtes wohl auf fruchtbaren Boden gestoßen", sagt er.

Als Politiker will er nach Kräften mithelfen, "einfach alles dafür zu tun, damit der Schulstandort Alpen erhalten bleibt". Das ist für ihn eine Selbstverständlichkeit, auch wenn's die Hauptschule bald nicht mehr gibt.

Bis die in einem Jahr endgültig abgeschlossen wird, bleibt er ihr als Pensionär erhalten. Der Nachbar führt die Statistik, gehört der Redaktion fürs Buch des letzten Entlassjahrgangs an, für den er auch die T-Shirts bestellt. Das jüngste Buch-Exemplar holte zur ultimativen Lobhudelei aus: Terboven, der "Zuspätkommer" mit der Sauklaue war in einer Kategorie unschlagbar: "Er war der Lehrer mit der größten Nähe zu uns Schülern". Ein besseres Zeugnis für den Pädagogen mit dem großen Herzen kann's nicht geben.

(RP)
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