Xanten Dem alten Hafen Geheimnisse entreißen

Xanten · Die Archäologin Valeria Selke erforscht, wie der Rhein zur europäischen Verkehrsachse wurde.

 Valeria Selke mit einem Hafengrabungsschnitt von 1993. Dokumentiert wurden die Schichten von der Erdoberfläche bis zu einer Tiefe von 4, 5 Meter.

Valeria Selke mit einem Hafengrabungsschnitt von 1993. Dokumentiert wurden die Schichten von der Erdoberfläche bis zu einer Tiefe von 4, 5 Meter.

Foto: Fischer, Armin (arfi)

Vor dem alten Haupteingang des Archäologischen Parks Xanten geht's rechts ab. Droben erhebt sich der Hafentempel. Der neue Wanderweg hinüber zum Alleenradwanderweg führt mitten durchs Flusstal. Oder besser: durch einen Rheinarm, der sich einmal - anders als heute - viel verzweigter durch die Landschaft zog. In diesem Bereich lag der Hafen der Colonia Ulpia Tranjana (CUT), der noch so manches Geheimnis birgt. Valeria Selke ist einigen von ihnen auf der Spur. Die 35-jährige Archäologin wertet im Rahmen eines Projekts der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) zur Erforschung des Rheins als europäische Verkehrsachse das Fundmaterial und die Pläne aus den Grabungen im Hafen der CUT aus.

Das Thema beschäftigt Archäologen wie Geologen. Diese interessieren sich mehr für die Streckenführung des Flusslaufs, der im dritten Jahrhundert nach Christus östlich der Stadt in einem Bogen an ihr vorbei floss. Vermutlich, so die gebürtige Rendsburgerin, die das Lateinische schon immer faszinierte und die folgerichtig in München Archäologie studiert hat, vermutlich sei der Rheinarm einfach verlandet. Auf jeden Fall, so ergaben die Ausgrabungen von 1934/1935, besonders aber die von Sabine Leih geleitete Anfang der 1990er Jahre, gibt es in dem Feuchtbodenbereich eine Menge gut erhaltener Funde aus der Colonia Ulpia Tranjana, die darauf schließen lassen, dass die Römer hier ihren Müll entsorgten.

Auch die fast vollständig erhaltene hölzerne Kaiwand spricht Bände. Sie besteht fast komplett aus Eichen, die zum Teil in Vorcolonia-Zeiten herangeschafft worden waren, sagt Valeria Senke. Ab dann aber wird's schwierig, erklärt die Archäologin, die über die Limes-Funde im Kastell Dambach bei Ansbach promoviert hat. Die Hölzer stammen aus der Zeit um 46 nach Christus. Das zeigen dendrochronologische Befunde. Spannend bleibt für die Wissenschaftlerin die Frage, ob rund 50 Jahre später, als die Römer die Colonia großflächig ausbauten, auch der Hafen entsprechend erneuert wurde. Wichtig war der Hafen allemal. Steine und Hölzer für die Bauten mussten teils von weither herangeschafft werden. Das galt natürlich schon in der Gründungsphase der Colonia. Selke: "Da ist schon klar, dass hier Schiffe mit Material für eine Großstadt angelegt haben." Erst recht um 140, als der Hafen so richtig erblühte.

Aber: Wie viele Schiffe konnten anlegen? Welche Ladungen brachten sie an den Niederrhein? Es gab Lagergebäude, vermutlich dann auch Händler- und Schiffervereine, wie sie an weiter südlich gelegenen Abschnitten des Rheins dokumentiert sind. Denn die Stadt war relativ groß und spielte in der Wirtschaftsgeschichte Niedergermaniens eine ganz wichtige Rolle. Das heißt aber auch, dass vermutlich Waren, die hier hergestellt worden waren, in andere Zentren transportiert wurden. Es gebe zum Beispiel Funde, die zeigen, dass in der Traianstadt hochwertige Keramik gebrannt wurde. Und letztlich: Selbst wenn der Rheinarm verlandete, wo war dann der spätantike Hafen? Selke: "Ohne eine derartige Infrastruktur kamen die Soldaten im Lager und ihre Familien in der Stadt sowie die anderen Stadtbewohner nicht aus."

Valeria Selke, die nach ihrer Volontariatszeit in der Archäologischen Staatssammlung und der Münzsammlung in München seit Oktober an dem DFG-Projekt der Universität Bonn in Xanten arbeitet, glaubt nicht, dass sie und ihre Kollegen in den nächsten drei Jahren der CUT all diese Geheimnisse entreißen. "Aber ihnen ein wesentliches Stück näherkommen, das wäre schon richtig gut."

(RP)
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