Zum Sonntag Das Warten auf den, der mich ausfüllen kann

Xanten · Der Knabe Jechiel - so steht es in den Geschichten der Chassidim - spielte einmal mit einem anderen Jungen Verstecken. Er verbarg sich gut und wartete, dass sein Gefährte ihn suche. Als er jedoch zu lange gewartet hatte, kam er schließlich aus seinem Versteck, aber der andere war nirgends zu sehen. Und jetzt merkte Jechiel, dass der Andere ihn gar nicht gesucht hatte. Weinend lief er zu seinem Großvater Baruch und beklagte sich über den Spielgefährten. Da flossen auch dem Rabbi die Augen über, und er sagte: "So spricht Gott auch. Keiner will mich suchen."

Zum Sonntag: Das Warten auf den, der mich ausfüllen kann
Foto: Fischer Armin

Keiner will mich suchen. Das stimmt. Die Menschen suchen nach Vielem, aber nicht nach Gott. Wir wollen uns fragen, ob das wohl wahr ist. Gibt es nicht auch das Warten auf Gott? Das Wort "Komm" kennen wir aus zahllosen Situationen. Viele Telefonate enden oft mit der Einladung "Komm doch mal!" Wie oft sagen wir: Kommst du auch wirklich? Du bist doch auch da? Vieles wird heil, wenn der eine zum anderen kommt. Der Freund zum Freund, der Mann zur Frau, die Mutter zum Kind. Nur so können wir überhaupt leben. Denn wir alle leben doch über einem Abgrund von Einsamkeit und fallen hinein, wenn wir nicht zu jemandem sagen können "komm"! Es gibt durchaus in diesem Sinne das Warten auf Gott, das Warten auf den, der mich ganz ausfüllen kann. Der junge und tatkräftige Mensch ist meist voller Pläne und der Überzeugung, wenn ich Geld habe, einen guten Partner, ein Haus und vielleicht Kinder, dann bin ich zufrieden. Der Ältere hingegen weiß längst, die Erfüllung der tiefsten Sehnsucht ist auf Erden nicht machbar. Wir können sie nur erahnen, wenn wir Gott hereinlassen in unser Leben.

Gott war ganz nahe und sichtbar in der Gestalt des Jesus von Nazareth. Es gab keinen anderen Menschen, der ganz gerecht war und der noch barmherzig mit den Menschen umging. Es gab keinen, der so vorurteilslos auf jeden zuging und ihn erst einmal von Grund auf bejahte. Es gab keinen, der vergeben, heilen und frohmachen konnte wie er. Und es gab keinen, der mit Gott so auf DU und DU stand wie Jesus von Nazareth, der selbst den Tod nicht fürchtete, weil er sicher war: Der Tod ist nur die letzte Türe zu Gott!

AUTOR WOLFGANG DERIX IST PFARRER EM. AN DER KATH. WALLFAHRTSKIRCHE MARIAE HIMMELFAHRT IN MARIENBAUM.

(RP)
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