Zum Sonntag Angemessene Hilfe macht nicht abhängig, sondern handlungsfähig

Xanten · Was brauchst du?" Das ist manches Mal die Frage an meine Kinder, wenn ich mitbekomme, dass sie sich oder etwas vorbereiten. Was brauchst du, wie kann ich dir helfen? - Diese Frage hat wohl schon jeder gehört und auch gestellt. Hiermit signalisiert der Fragende die Unterstützungsbereitschaft für das Notwendige.

Der Befragte muss sich dann selber darüber klarwerden, was er wirklich benötigt. Ich ertappe mich immer wieder dabei, dass ich bei meinen Kindern wie auch in Gruppen und Kreisen schon vorgeplant habe und eigentlich selber schon genau weiß, was gebraucht wird und geschehen muss. Mit einem solchen Verhalten nehme ich mein Gegenüber oft nur bedingt ernst und billige mir eine höhere Kompetenz zu, die Lage zu beurteilen.

Ich fürchte, dass dies in vielen Lebenslagen einen jeden betrifft. Ziel sollte es sein: Den anderen ernst nehmen, ihn in seiner Selbstständigkeit unterstützen und fördern - bis dahin, dass mein Zutun überflüssig wird. Schließlich könnte meine Hilfe sonst dazu führen, dass der Nächste unselbstständig bleibt, abhängig von meiner Hilfe.

Will ich das vielleicht manchmal sogar, um meine Rolle oder meine Macht zu festigen? Letztlich ist jedoch Hilfe zur Selbsthilfe angebracht, um Missbrauch zu vermeiden und angemessene Unterstützung zu gewähren. Dies auch für Menschen, die von Armut bedroht oder betroffen sind.

Aktuell scheint sich wieder eine Armutsdebatte zu entwickeln. Auslöser dafür waren wohl die Entscheidung der Essener Tafel sowie die Reaktionen verschiedener Personen des öffentlichen Lebens. Auch wenn manches, was dazu führte, nicht angemessen war, ist die öffentliche Auseinandersetzung mit der Armut, ihren Ursachen, Folgen und Erfordernissen längst überfällig.

Caritas-Präsident Peter Neher fordert in dem Zusammenhang einen entschiedeneren Kampf der Politik gegen Armut. "Statt auf die Tafeln zu setzen, muss die Politik dafür Sorge tragen, dass Armut entschieden bekämpft und letztlich vermieden wird", sagte er der Badischen Zeitung in Freiburg. Nicht das Tun, damit es nicht so schlimm wird und der einzelne überleben kann, ist angemessen, sondern das, was der Mensch braucht und ihn zu selbstbestimmtem Handeln befähigt.

Für angemessene Hilfe gibt es ein schönes biblisches Beispiel: Der bedürftige Mann, ein Blinder, bittet Jesus um Hilfe. Der nimmt sich Zeit für ihn, fragt: Was willst du, dass ich für dich tun soll? Der Bettler sagt, was er braucht, und Jesus handelt so, dass der Blinde wieder handlungsfähig wird (vgl. Lukas 18,31-34).

Dies wäre im Grundsatz angemessenes Handeln für jeden von uns. Da ist keine Frage nach Schuld oder Herkunft, sondern die Frage nach Notwendigkeit und Zukunft. Was brauchst du? Hilfe beim Lernen oder eine Ausbildung beziehungsweise Umschulung - und dabei gegebenenfalls übergangsweise eine angemessene wirtschaftliche Unterstützung? Brauchst du eine angemessene Altersversorgung, weil du dich im Niedriglohnsektor bislang über Wasser gehalten hast, nun aber eine zu geringe Rente erhältst? Lebst du in einer Gegend, in der es keinen Wohnraum in der dir zustehenden (und mitfinanzierten) Größe gibt, oder sind in deinem Lebensumfeld die Lebenshaltungskosten so groß, dass die unterstützenden Hilfen niemals reichen können?

Es ist eine Art Volkssport geworden, Schnäppchen zu ergattern und Steuerzahlungen zu umgehen, auf wessen Kosten auch immer. Dabei sind viele von uns kreativ und erfinderisch. Wie wäre es, wenn wir genauso kreativ und erfinderisch helfen würden, bei der Antwort auf die Frage: "Was brauchst du?"

WERNER KOSCHINSKI, PASTORALREFERENT DER KIRCHENGEMEINDE ST. PETER

(RP)
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