Wenn das Zuhause zur Hölle wird

Wülfrath · Häusliche Gewalt hat eine klare Rollenverteilung: Der Mann schlägt, die Frau leidet. Dagegen setzt Wülfrath eine Ausstellung. Eine Abbruch-Wohnung in der Halfmannstraße soll Menschen sensibilisieren, nicht wegzuschauen.

 Eröffnung im Rathaus, Ausstellung in der Halfmannstraße 24: Drei Wochen lang geht es um Häusliche Gewalt und wie man sie überwindet.

Eröffnung im Rathaus, Ausstellung in der Halfmannstraße 24: Drei Wochen lang geht es um Häusliche Gewalt und wie man sie überwindet.

Foto: Janicki

Die Pfanne auf dem Herd, die halb volle Flasche Rotwein am Tisch, das dudelnde Kofferradio im Schlafzimmer nebenan. Hier sorgt nicht bloß die fehlende Heizung für ein Frösteln, sondern die Brüche in der heilen Welt, die erst auf den zweiten Blick sichtbar werden; so wie die Säure im Bad neben dem Schminkkoffer.

Wülfrath informiert in einer Ausstellung über häusliche Gewalt. Aber nicht an 08/15-Stellwänden im schattenlos ausgeleuchteten Rathaus-Foyer - sondern in einer Wohnung des Hauses Halfmannstraße 24, zwei Zimmer, Kochnische, Bad. Von 2014 bis 2016 hat die häusliche Gewalt im Kreis Mettmann um 45 Prozent zugenommen. Und bei dieser Zahl geht es nur um die bekannt gewordenen Übergriffe. Die echte Gewaltstatistik bleibt im Dunkeln.

Manchmal hat so eine Hölle bloß 65 Quadratmeter und ist eiskalt. "Rosenstraße 76 - Häusliche Gewalt überwinden" ist der Titel der Ausstellung in einer nur scheinbar ganz normalen Wohnung, in der 40 Tafeln über die Hintergründe von und Maßnahmen gegen die Häusliche Gewalt informieren.

Von Bürgermeisterin Claudia Panke angefangen haben zwölf Mettmanner und Wülfrather Institutionen aus der "Expertenrunde Gewaltprävention" die aufrüttelnde Schau in die Stadt geholt. Der islamische Verein Ditib, die GWG Wülfrath GmbH, der Einrichtungsmarkt Poco, die Freiwillige Feuerwehr und die Katholische Gemeinde St. Maximin gaben Geld, Sachspenden oder Arbeitsleistungen. Die Nachbarn haben sich über die plötzlichen Aktivitäten in den längst leergezogenen Abbruchhäusern der Halfmannstraße gewundert. Hausmeister aus dem Rathaus fingen plötzlich an zu renovieren. Die Freiwillige Feuerwehr trug Möbel durch die Haustür, die schon bessere Tage gesehen hat. Nicht jeder hier ist stolz, drei Wochen lang eine der wichtigsten Ausstellungen der Kreises zu beherbergen. "Nachher denken die, wir verprügeln alle unsere Frauen", sorgt sich ein Nachbar.

"Aus diesem Grund waren wir ganz froh, dass es in ganz Wülfrath keine Rosenstraße gibt", sagt die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, Gudula Kohn. So werde niemand in einen falschen Ruf gebracht. Drei Wochen lang sollen Menschen sensibilisiert werden für die Anzeichen häuslicher Gewalt. Große Sonnenbrillen bei bewölktem Himmel, Hautverfärbungen, nur halb glaubwürdige Erklärungsversuche können solche Indizien für häusliche Gewalt sein. Aber deswegen die Nachbarn denunzieren?

Eva-Maria Düring, die bereichsleiterin beim Sozialdienst katholischer Frauen und Männer, SKFM, in Mettmann warnt ausdrücklich vor falscher Zurückhaltung. "Im Zweifel kann man weitere Nachbarn befragen oder auch zu uns in die Beratung kommen und vom Verdacht berichten." Es sei in jedem Fall besser, einem mulmigen Gefühl nachzugehen, als es zu verdrängen. "Und wenn man glaubt, Ohrenzeuge von Schreien und Schlägen zu werden - bitte sofort die 110 anrufen." Die Polizei sei nicht sauer, wenn sich ein Notruf als falscher Alarm entpuppt. Notfalls könne man einen anonymen Hinweis geben.

Zum Schutz vor häuslicher Gewalt sind die entsprechenden Gesetze verschärft worden. Es gilt der Grundsatz "Wer schlägt, der geht". Demnach werden Gewalttäter angewiesen, sich zehn Tage lang nicht zu Hause sehen zu lassen. "In dieser Zeit können die Frauen entscheiden, wie es weitergehen soll", sagt Eva-Maria Döring. Notfalls kann so ein Verbot, sich dem Zuhause zu nähern von einem Richter bis auf ein halbes Jahr ausgedehnt werden.

Und selbst dann ist es für geschlagene, bedrängte, beschimpfte Frauen oftmals schwierig, vom Gewalttäter an ihrer Seite wegzukommen. Da gelten das Wohl der Kinder und die vermeintliche Geborgenheit zwischen den Ausrastern als Argumente, es doch noch einmal miteinander zu versuchen. Die freiwilligen Helfer in der Ausstellungswohnung sind darauf eingerichtet, auf Besucher zu achten, die in der sehr lebensnahen Ausstellung von verschütteten Ängsten oder Emotionen getroffen werden.

(RP)
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