Wülfrath Vogel-Versteher auf den Spuren der Flugrouten

Wülfrath · Reinhard Vohwinkel ist auf der ganzen Welt unterwegs, um Vögel zu beobachten und zu untersuchen. Viele tragen seine Ringe.

 Reinhard Vohwinkel mit dem "bepackten" Uhu Pattex, der seinen Sender-Rucksack fast ein Jahr getragen hat.

Reinhard Vohwinkel mit dem "bepackten" Uhu Pattex, der seinen Sender-Rucksack fast ein Jahr getragen hat.

Foto: K. Tamm

Gerade ist er irgendwo zwischen Grönland, Spitzbergen und den Faröer Inseln unterwegs. So manch einer würde es Urlaub nennen - und auch Reinhart Vohwinkel ist mit seiner Ehefrau auf Reisen. Von einer gemütlichen Kreuzfahrt kann allerdings keine Rede sein, wenn der "Herr der Vogel-Ringe" mal wieder auf Tour ist. Stattdessen hat er wohl immer ein gutes Fernglas und ein paar Fangnetze im Gepäck.

Will man Vohwinkel in Wülfrath begegnen, so gelingt das am ehesten im Dunkeln. Denn hier war es in den vergangenen Monaten vor allem die Uhu-Dame "Pattex", deren Spuren er durch die Wülfrather Innenstadt gefolgt ist. Obwohl: Eigentlich waren es ja Töne, denen die Aufmerksamkeit des Ornithologen galt. War doch "Pattex" der einzige Uhu, der seinen Sender-Rucksack beinahe ein Jahr lang getragen hat. Damit hat er dem Vogelkundler eine wahre Datenflut beschert und so ganz nebenbei verraten, dass es auf dem Rathausdach gemütlich sein kann und dass man Mäuse am besten in den aufgeräumten Gärten der Ellenbeek fängt. Zwischendurch gab es in der Nachbarschaft - am Goldberger Teich in Mettmann - auch noch einen einsamen Schwan, der gut über den Winter gebracht werden musste. Auch dort war Vohwinkel immer wieder, um nach dem Rechten zu schauen.

Immer kann es sein, dass Vohwinkel gerade irgendwo auf der Welt auf "Vogel-Tour" ist. Sollte in Russland die Vogelgrippe ausbrechen, steigt er sofort ins Flugzeug. "Die Enten müssen mit einem Sender ausgestattet werden, um ihre Flugroute zu verfolgen", sagt er. In Buthan im Himalaya-Gebirge waren es Fasane, die von ihm beringt und untersucht wurden. Im April war der Ornithologe noch in Schweden, um Zwerggänse mit einem Sender auszustatten. Er war auch schon in Panama, um dort Tukane zu fangen.

Ein Professor der Princeton Universität in New Jersey war auf einem Kongress für Vogelkundler auf ihn aufmerksam geworden. Dessen Fangerfolge haben sich längst in der Fachwelt herumgesprochen und man bucht ihn für schwierige Fälle. An den Tukanen hatten sich zuvor schon etliche Experten versucht. Vergeblich, wie Vohwinkel erzählt. "Die haben sich daran die Zähne ausgebissen. Einer der erfolgreicheren Fänger hat vier Jahre gebraucht und nur drei gefangen, um sie zu besendern." Das Projekt war zu wichtig, um es einfach abzubrechen. Schließlich sollten die Erkenntnisse über die Flugrouten der Tukane dazu beitragen, etwas über den Zustand des Regenwaldes in Erfahrung zu bringen. Das war nötig, um den Panama-Kanal verbreitern zu können. Also machte sich Vohwinkel auf den Weg in den Regenwald. In sechs Tagen hatte er 16 Tukane gefangen und reiste wieder ab.

Seit Jahrzehnten folgt der Velberter Ornithologe den Spuren der Vögel. Schon als Junge ist er mit dem Fernglas durch den Wald gestreift. Auf leisen Sohlen, damit er alles ganz genau beobachten konnte. Bäume, Sträucher, Vogelnester: In einem Notizbuch hat er alles Wissenswerte aufgeschrieben. Bis er eines Tages beinahe in eines der Fangnetze lief, das zwei Vogelkundler aufgestellt hatten. Er zeigte ihnen seine Notizen und ging fortan mit, wenn Vögel beringt wurden.

Seinen Zivildienst machte er als Vogelwart auf der Hallig. "Ich wollte eigentlich Förster werden, aber das hat mir meine Mutter damals ausgeredet", erzählt Vohwinkel. Also wurde er Betriebsinformatiker und blieb seiner Leidenschaft wenigstens als Hobby treu. Er nutzte jede freie Minute, zumindest bis vor einigen Jahren. "Ich wollte nicht bis zur Rente arbeiten, sondern vorher so viel verdient haben, dass ich früher damit aufhören kann." Mit 40 hing der Ornithologe seinen Computer-Job an den Nagel. Seitdem ist er als ehrenamtlicher Mitarbeiter der Vogelwarte Helgoland Tag und Nacht mit dem Fangnetz unterwegs.

"Die Vögel nehmen das gelassen hin und warten, bis die Sache erledigt ist", weiß er. Vom Gedanken an einen Vogelflüsterer will Reinhard Vohwinkel dennoch nichts wissen. Obwohl man sich schon fragt, wie er mehr Tukane in einer Woche fangen kann als andere in zehn Jahren. "Ich schau mir eben vorher genau an, wie die Vögel leben. So kann man sich in ihr Verhalten hineinversetzen", sagt er. Mehr als 100 000 hat er in seinem Leben gefangen.

Ausschlafen kann er in der Zugzeit nur an Regentagen, ansonsten ist er ständig unterwegs. Finken und Drosseln gehören zu den letzten Zugvögeln, danach kann Reinhard Vohwinkel bis zum Februar seine Netze zusammenpacken.

(RP)
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