Wülfrath Jugendliche pflegen jüdische Gräber in Lettland

Wülfrath · "Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist." So heißt es im Talmud.

Auf Hebräisch heißt Friedhof auch "Haus des Lebens". Und diese Häuser des Lebens sind in vielen Ländern Osteuropas, in denen die Nazis die jüdische Bevölkerung ausrotteten, in einem beklagenswerten Zustand. Klaus-Peter Rex und 14 Jugendliche aus Wülfrath wollen diese Erinnerung an die Shoa wachhalten und starteten Anfang August wieder zu einem 12-tägigen Workcamp in Saldus in Lettland. Die Hauptaufgabe dort war es, einen Friedhof zu restaurieren, der erst 2014 gefunden worden war.

Dort war alles total verwildert, bis hin zu einem Urwald", sagt Rex in seinem Tagebuch. Auf diesem alten jüdischen Friedhof steckte die Wülfrather Gruppe nach ihrer Ankunft erst einmal das Areal ab, markierten, welche Sträucher und Bäume entfernt werden müssen. Doch auch auf dem neuen, etwas kleineren jüdischen Friedhof in dem baltischen Land wurden Vorarbeiten geleistet.

In den Tagen legten die Jugendlichen unter Hilfe der Mitarbeiter der dortigen Friedhofsverwaltung etliche Gräber frei, planierten neue Wege und Zufahrten, bauten. Schnell entdeckten die Teilnehmer, dass die Grabsteine, zum Teil umgestürzt und total verwildert, hebräische, jiddische und deutsche Inschriften tragen.

Das Wetter in den nächsten Tagen war mitunter schlecht. Regen, glitschiger Boden und glatte Wege erschwerten die Arbeit der jungen Leute. Vor allem die gefundenen Gräber wurden nach Katalogisierung und genauerer Prüfung untersucht. Schnell stellten die Wülfrather fest, dass viele Beerdigungen von 1895 bis zur Jahrhundertwende stattgefunden haben. Es gibt auch Gräber ohne Grabsteine, aber die Grabhügel sind nicht so deutlich wie auf anderen Friedhöfen zu erkennen, notierten die Wülfrather in ihrem Tagebuch. Mindestens drei Gräber waren auch aufgebrochen worden, an einem war sogar noch der Hügel mit dem Erdauswurf zu erkennen.

Kinder hatten den alten jüdischen Friedhof in Saldus vor zwei Jahren eher zufällig beim Spielen entdeckt. Damit der vergessene Platz in Zukunft wieder erkennbar ist, bauten die Jugendlichen ein Eingangstor, auf dem der Davidstern die Besucher künftig begrüßt.

Dann ging es an die Aufgabe, die die Geduld der jungen Deutschen wohl am stärksten strapazierte: Viele Grabsteine mussten abgewaschen werden, was sich als sehr schwierig erwies, weil der Lehmboden so haftet. Die Steine werden nummeriert, geschäumt und dann dokumentiert. Dabei stellte sich heraus, dass dort einige sehr prachtvolle Steine stehen. Deutlich mehr als 70 Grabsteine alleine konnte die Gruppe wieder reparieren und aufstellen.

Zur Abschlussfeier am letzten Arbeitstag besuchten der stellvertretende Bürgermeister von Saldus, die israelische Botschafterin, der Kulturattache der deutschen Botschaft, Gita Umanowska (jüdische Gemeinde Riga), Illya Lensky (jüdisches Museum Riga) und einige Bürger von Saldus (darunter zwei Mitglieder der jüdischen Gemeinde) die Wülfrather Gruppe. Die israelische Botschafterin fragte bei Rex und seinen Mitstreitern nach, ob sie im nächsten Jahr einen Friedhof in Sabile machen könnten. Dort gebe es einen Unternehmer, der an der Restaurierung interessiert sei und auch Geld für das Projekt geben wolle. Ein Friedhof mit etwas anderen Akzenten: Dort stehen keine Bäume, hieß es, aber bis zu zwei Meter hohes Gras. Alle Grabsteine seien umgefallen oder umgeworfen worden.

Der stellvertretende Bürgermeister von Saldus versichert der Gruppe noch einmal, dass sie mit einem Steinmetz zusammen den Stein am Friedhofseingang gestalten möchten. Eventuell soll sogar ein noch größerer Stein aufgestellt werden. Die Wülfrather wurden ermuntert, Vorschläge für die Beschriftung des Davidsterns zu machen.

(rei)
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