Wülfrath "Der Wald ist der Heimat schönstes Kleid"

Wülfrath · Vor 60 Jahren verfasste der Wülfrather Schulleiter Walter Heikaus seine "Ode an den Wald". Schon damals appellierte an die Verantwortlichen Im Kreis Mettmann, den "rachitischen Waldkulissen" keine weiteren Kahlschläge folgen zu lassen.

 Auch rings um den Goldberger Teich sah es früher noch anders aus. Das Bild von der Bootsfahrt ist undatiert.

Auch rings um den Goldberger Teich sah es früher noch anders aus. Das Bild von der Bootsfahrt ist undatiert.

Foto: Stadtarchiv Mettmann

Als sich Walter Heikaus vor 60 Jahren an seinen Schreibtisch setzte, um seine "Ode an den Wald" anzustimmen, ahnte er wohl noch nicht, dass in ihm ein Poet zum Vorschein kommen sollte. Eine simple Plauderei zum "Tag des Waldes" sollte es werden - veröffentlicht in der lokalen Presse. Als der ehemalige Leiter der Parkschule und Mitverfasser des Wülfrather Heimatbuches schließlich seinen Textentwurf ablieferte, waren daraus mehrere Seiten geworden. Und schon der berühmte erste Satz war die reinste Poesie: "Tue dem Wald kein Leid, er ist der Heimat schönstes Kleid".

Es mag dem Wandel der Zeit geschuldet sein, dass man solche Worte heute kaum noch irgendwo liest. Stattdessen geht es um Kahlschlag, Gutachten und Baumschutzsatzungen. Alles ist geregelt, nichts bleibt dem Zufall überlassen. Der Wald ist zum Angstraum geworden - zumindest für diejenigen, denen die Konsequenzen missachteter Verkehrssicherungspflichten angelastet werden. Ob ein Baum lebt oder stirbt, wird in Amtsstuben entschieden.

 Das Foto zeigt den Jubiläumsplatz im Jahr 1920 mit damals noch deutlich mehr Grün.

Das Foto zeigt den Jubiläumsplatz im Jahr 1920 mit damals noch deutlich mehr Grün.

Foto: Stadtarchiv Mettmann

Von einer überbordenden Bürokratie war man vor einem halben Jahrhundert freilich noch weit entfernt. Und dennoch zogen offenbar Sorgen in die Gedankenwelt der Naturfreunde ein. "Von einer Landschaft, die uns gefallen soll, verlangen wir mit Recht, dass Berge, Wald und Gewässer in natürlichen, harmonischen Verhältnissen vorhanden sind", appellierte der Autor der Wald-Plauderei schon damals an die Verantwortlichen im Kreis Mettmann, den "rachitischen Waldkulissen" keine weiteren Kahlschläge folgen zu lassen.

Einen solchen hatte es offenbar gerade am Wildgehege im Neandertal gegeben. Auch andernorts schien man nicht mehr von "Wald" sprechen zu wollen. "Nirgends ringsum Mettmann finden wir noch einen größeren Mischwald mit seiner tausendfältigen Einheit mit Bodenbedeckung, Strauchwerk und Baumschicht, die eine rechte Harmonie aller Lebewesen gewährleistet."

 Ein Blick aufs Grün am Rande der Stadt Wülfrath von der Bergstraße aus im Jahre 1956.

Ein Blick aufs Grün am Rande der Stadt Wülfrath von der Bergstraße aus im Jahre 1956.

Foto: Sammlung Atteln

Schon damals gab es Klagen über den Durchgangs- und Fremdenverkehr im Neandertal, der in den 1950er Jahren wohl kaum vergleichbar mit dem Freizeitdruck gewesen sein dürfte, dem die Natur dort mittlerweile ausgesetzt ist. "Es ist doch ein großer Unterschied, wenn sich bei geringer Bevölkerungsdichte etwa 50 Bürger auf tausende Morgen Wald stürzen, oder viele tausende Bewohner auf 50 Morgen Wald, wie es heute ist", war Walter Heikaus unwohl bei dem Gedanken an unzählige Wanderer, die durch Feld, Wald und Wiesen pilgerten.

Unwohl war ihm auch bei der Erinnerung an die Nachkriegsjahre, als "Waldfrevler mit Lastautos erschienen, wahllos die Bäume fällten und den Besitzer mit der Axt bedrohten", um dann wieder poetisch zu werden: "Was aber wäre gewesen, wenn der Wald als stummer Freund der Menschheit und als hilfsbereiter Freund der Kreatur nicht mit Brennholz und seinen wilden Früchten ausgeholfen hätte."

Zwischen der Heikaus´schen Waldplauderei und der heutigen Sicht aufs ländliche Grün liegen sechzig Jahre, in denen vieles anders geworden ist. Und eines wird ganz besonders deutlich: Waren es damals noch belebte, dem "Wesen des Waldes" zugewandte Worte, so werden wir eine solche Sprache heutzutage jenseits von Gedichten und spirituellen Waldspaziergängen lange suchen müssen.

Wo kann man schon noch lesen, dass Nadelbäume im Schatten von Abgasen nicht atmen können, dass Sämlinge von Kinderhand der Erde anvertraut werden, um Wurzeln zu schlagen in den Herzen ihrer jugendlichen Pflanzer, die mit dem Bäumchen aufwachsen und sein bester Hüter werden. Es ist der Klang der Worte, der den Weg zur Seele des Lesers gefunden haben mag. Spricht Walter Heikaus von Schulwäldchen, die von Kinderhand gepflanzt werden und von der Natur als Lehrmeisterin, so klingt das alles viel weniger bedrohlich als die Debatten um Gefahrenbäume und Kahlschlag. Kann er noch stehen bleiben oder muss er weg: Um diese Frage rankt sich zunehmend die öffentliche Baum-Wahrnehmung. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Das war längst nicht immer so.

(magu)
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