Stadt Willich Zwölf Quadratmeter voller Flair

Stadt Willich · Noch ist alles beim Alten, und an der Hochstraße 35 glänzt und strahlt es im Schaufenster. Doch in einem der ältesten Geschäfte von Schiefbahn haben die letzten Wochen begonnen. Was Heinrich Odenbach 1887 ins Leben gerufen hat, schließt Ende Juli seine Türen. Nach 130 Jahren verabschiedet sich Uhren und Schmuck Odenbach.

 Schweren Herzens schließt die Uhrmachermeisterin Jutta Odenbach das Schiefbahner Traditionsunternehmen zum 31. Juli - wenn sich nicht doch noch ein Nachfolger findet.

Schweren Herzens schließt die Uhrmachermeisterin Jutta Odenbach das Schiefbahner Traditionsunternehmen zum 31. Juli - wenn sich nicht doch noch ein Nachfolger findet.

Foto: Wolfgang Kaiser

Jutta Odenbach, die das Geschäft in der vierten Generation führt, hat das Rentenalter erreicht, und eine Nachfolge ist bis jetzt nicht in Sicht. "Wobei ich immer noch hoffe, dass sich ein Nachfolger findet. Einfach fällt mir die Schließung wirklich nicht. Hier steckt Herzblut drin. Aber irgendwann ist man in dem Alter, in dem es in den Ruhestand gehen sollte", sagt die 67-jährige Uhrmachermeisterin. Schon als Kind wusste sie, dass sie einmal in die Fußstapfen der väterlichen Seite gehen würde. "Ich bin quasi unterm Küchentisch mit dem Uhrmacherhandwerk groß geworden", berichtet Jutta Odenbach. Ihr Vater reinigte nämlich die Uhren auf dem Küchentisch. Als Vierjährige unternahm sie selbst einen ersten Ausflug in die Uhrenwelt. Die in Körbchen liegenden Einzelteile der zerlegten Uhren lockten sie. "Die Körbe standen auf dem Tisch, und ich habe jedes Teil mit der Pinzette von einem Korb in den anderen gelegt. Danach habe ich meinen Vater geweckt und ihm von meiner Hilfeleistung berichtet. Der bekam erst einen riesigen Schrecken, sah dann aber, dass ich nichts durcheinander gebracht hatte", plaudert Jutta Odenbach aus dem Nähkästchen.

Auch wenn der Vater sie später lieber in einer Goldschmiedelehre gesehen hätte, weil er keine Zukunft im Uhrmacherhandwerk sah, ging es doch in die Wunschlehre. Das Uhren-Gen muss den Odenbachs im Blut liegen. Firmengründer Heinrich Odenbach, der Urgroßvater von Jutta Odenbach, war genauso Uhrmachermeister wie sein Sohn Heinrich Odenbach und dessen Sohn Heinz Odenbach, der Vater der heutigen Besitzerin. Alte Uhrmachergerätschaften wie die Wälz- oder Radschneidemaschine im Ladenlokal erinnern an die Anfänge. Dort steht auch noch die Uhr vom Großvater, mit der er 1935 beim Reichsberufswettkampf den dritten Platz gemacht hatte.

Dazu gibt es einen alten Ordner, der vor Geschichte nur so strotzt. Der Auftrag über den Umbau der Schiefbahner Kirchturmuhr von einem Zifferblatt auf zwei Zifferblätter aus dem Jahr 1902 ist im Ordner genauso zu finden wie das Zeugnis, das Urgroßvater Heinrich 1913 über seinen Sohn geschrieben hatte, als der seine Lehre beim Vater machte. Man kann über die 1948 erteilte Sonderzuteilung von Gewerbestrom genauso lesen wie über die Kohlenzuteilung von 1945.

Mit der Tradition der Odenbachs, die Lehre beim eigenen Vater zu machen, brach Jutta Odenbach allerdings. Ihre dreieinhalbjährige Lehrzeit absolvierte sie in Viersen, bevor es direkt danach ins elterliche Geschäft ging. Hier stand ihre Mutter Margarete im Ladenlokal, während ihr Vater in der Werkstatt anzutreffen war. Sie selbst kann sich noch gut an die Werkstatt des Opas erinnern, der einen kleinen, in die Wand eingelassenen Tresor besaß, der heute allerdings übertapeziert ist. Ihre Eltern hingegen schafften 1954 einen anderen gebrauchten Tresor an. Ein Modell, das noch aus der Zeit des Ersten Weltkrieges stammt und das bis heute in dem gerade einmal zwölf Quadratmeter großen Ladenlokal steht.

Klein, aber edel und fein, so präsentiert sich Uhren und Schmuck Odenbach seit Jahrzehnten. "Entdeck' das Besondere" lautete der Slogan des Einzelhandelsgeschäftes immer, und das bleibt bis zum letzten Öffnungstag so. Wenn dann die Ladenklingel zum letzten Mal geht und Jutta Odenbach, die auch 19 Jahre Obermeisterin der Innung war, die Tür endgültig schließt, werden die Tränchen nicht nur bei ihr kullern, sondern auch bei ihren vier Mitarbeiterinnen. Denn das Ambiente war bei Odenbach immer etwas ganz Besonderes.

(tref)
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