Serie Zu Gast In Der Gesangsstunde Zum Singen braucht es Mut

Willich · Unsere Serie entführt an ungewöhnliche Orte und stellt Menschen und Interessen in den Mittelpunkt, die sonst nicht in der Öffentlichkeit stehen. Heute geht es um die Kunst, das Singen zu erlernen.

 RP-Mitarbeiterin Stephanie Wickerath lernt bei Nadja Knop, Klavier- und Gesangslehrerin in der Musikschule "Flotte Finger" St. Tönis, die richtigen Töne zu treffen.

RP-Mitarbeiterin Stephanie Wickerath lernt bei Nadja Knop, Klavier- und Gesangslehrerin in der Musikschule "Flotte Finger" St. Tönis, die richtigen Töne zu treffen.

Foto: BERNHARD KOHNEN

TÖNISVORST Es ist die Eitelkeit, die meiner Karriere als Sängerin im Wege steht. Das weiß ich, seit ich zu Gast in einer Gesangsstunde war. "Beim Singen muss man aus sich herausgehen", sagt Nadja Knop, Klavier- und Gesangslehrerin in der Tönisvorster Musikschule "Flotte Finger". Aus sich herausgehen, das bedeutet, sich nichts daraus zu machen, dass man "blöd aussieht", wenn man den Mund so weit öffnet. Das bedeutet, dass es egal ist, dass die Stimme kippen könnte und piepsig wird, wenn man zu hoch singt, dass man die Töne nicht halten kann oder nicht richtig trifft und dadurch das ganze Lied irgendwie schräg klingt. Aber genau das sind meine Ängste, und deshalb stehe ich mir wohl selber im Weg mit meiner Sorge, mich zu blamieren, ausgelacht zu werden.

Dabei finde ich Singen so schön und tu es auch wirklich gerne. Seit ich aber mit einer Musikstudentin zusammengewohnt habe, deren feines, gut geschultes Gehör nach eigener Aussage durch mein Singen unter der Dusche "empfindlich gestört" wurde, bin ich vorsichtig geworden. Seitdem singe ich nur noch im Auto, nachdem ich mich vergewissert habe, dass alle Fenster geschlossen sind oder im Haus, wenn ich alleine bin. In der Musikschule mit der ausgebildeten Sopranistin zu singen, erfordert deshalb meinen ganzen Mut.

Nadja Knop findet das sehr schade. "Jeder kann singen lernen", sagt die Sängerin. Natürlich werde nicht jeder Sänger ein Star, aber sein Stimmvolumen auszunutzen, Noten zu lesen und Töne zu halten, das sei lediglich eine Frage der Übung. Und natürlich helfen ein paar Tipps. "Wer krumm steht, kann nicht gerade singen", sagt die 50-Jährige. Also: Füße hüftbreit, aufrechter Stand, in den Knien nicht zu steif, die Brust öffnen und die Schultern nicht anheben. Dann, ganz wichtig, atmen. "Die Luft muss bis ins Zwerchfell", sagt die Musiklehrerin. Das mache die Stimme klarer und voluminöser. Kommt ein neuer Schüler zu Nadja Knop, tasten Lehrerin und Schüler sich vorsichtig an den Stimmumfang. Hat der Schüler eine Sopran oder eine Alt-Stimme? Das muss die Gesangslehrerin wissen, um den Schüler optimal zu fördern. Zur Klavierbegleitung gilt es, Töne zu halten, Konsonanten zu singen und Resonanzübungen zu absolvieren, die dazu führen, dass man die hohen Töne förmlich im Kopf spürt.

Großen Zulauf haben die Gesanglehrer trotz "Deutschland sucht den Superstar" und ähnlichen Sendungen nicht. Es sind eher Mitglieder von Chören, die in die Musikschule kommen, um ihre Stimme in den Einzelstunden mit der Gesangslehrerin zu perfektionieren. Nadja Knop bietet sowohl klassischen als auch modernen Gesang an.

Meine Schnupperstunde reicht nicht aus, um das Talent, das vielleicht irgendwo in mir schlummert, zu wecken. Aber wenigsten achte ich jetzt beim Singen darauf, die Schultern nicht hochzuziehen und meinen Mund als Resonanzraum auszunutzen. Sieht ja keiner.

(Ws03)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort