Stadt Kempen Warum Kempens Kirche in Weiß-Rosa strahlt

Stadt Kempen · Die im 13. Jahrhundert erbaute Propsteikirche St. Mariae Geburt in der Kempener Innenstadt ist in ihren Ursprungsfarben gestrichen.

 Hans Eickelpasch führt seit 40 Jahren Besucher durch die Propsteikirche. Selbst er entdeckt bei genauerem Hinschauen immer noch Neues.

Hans Eickelpasch führt seit 40 Jahren Besucher durch die Propsteikirche. Selbst er entdeckt bei genauerem Hinschauen immer noch Neues.

Foto: Kaiser, Wolfgang (wka)

Schon von weitem sieht man sie, wenn man auf Kempen zufährt: die Propsteikirche St. Mariae Geburt in der Mitte der Stadt. Seit ihrem Bau im 13. Jahrhundert war und ist sie ein Zentrum des Kempener Lebens. Ihr Kirchturm könnte wahrscheinlich so manche Anekdote aus der Stadtgeschichte erzählen. Immerhin wurde in ihrem Schatten der berühmteste Sohn der Stadt Thomas à Kempis geboren, dessen Buch "Nachfolge Christi" bis heute zu einem der meist gedruckten Bücher gehört.

Erbaut wurde die Kirche seinerzeit als dreischiffige romanische Basilika. Sie sollte die außerhalb des Stadtzentrums von Kempen gelegene Kapelle St. Peter als Pfarrkirche ablösen. In den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts wurde der Bau noch einmal um eine Choranlage erweitert. Dabei wurde das Mittelschiff erhöht und die Flachdecke durch ein gotisches Gewölbe ersetzt. Die Marienkapelle im nördlichen Seitenschiff erinnert bis heute daran, dass Kempen einmal ein Wallfahrtsort zur Marienverehrung war.

Noch ganz kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs, am 2. März 1945, wurde die Kirche schwer beschädigt. Doch schon fünf Jahre später war sie wieder hergestellt, auch dank der tätigen Mithilfe vieler Kempener Handwerker. Zwischen 1981 und 1993 wurde die gesamte Kirche grundlegend saniert. Dies mit heftigen Diskussionen in der Stadt. Denn das bis dahin einfache Sandsteingebäude sollte einen Anstrich erhalten wie es ihn nach alten Unterlagen ursprünglich hatte. Rosa und Weiß - das kam den Kempenern doch seltsam vor. Inzwischen haben sich die Kempener aber längst an ihre "rosa" Kirche gewöhnt.

Nach der Sanierung erstrahlten auch das Innere der Kirche und die vielen Kunstwerke in neuem Glanz. Und es gibt viel zu entdecken. Am besten schließt man sich dafür einer Kirchenführung an. Denn nicht alles erschließt sich auf den ersten Blick, wie Hans Eickelpasch, einer der 13 Kirchenführer weiß. Gut ausgerüstet mit einer kleinen Taschenlampe nimmt er die Besucher mit auf eine spannende Entdeckungsreise durch die Kirche.

Im Laufe der Jahrzehnte hat die Gemeinde die Kirche immer mal wieder um neue Kunstwerke ergänzt. Dadurch hat sich eine interessante Mischung aus vielen alten, aber auch modernen Elementen ergeben. Alsbald kam der moderne Zelebrationsaltar hinzu, den der Kempener Steinmetz und Künstler Manfred Messing aus schwedischem Granit gestaltete. Dabei wurde der Altarraum etwas mehr in den Kirchenraum verlegt. Der Altar steht nun exakt im Schnittpunkt der drei alten Antwerpener Altäre an den Seiten und im Chorraum.

Im Altarraum sollte man sich unbedingt das Chorgestühl genau ansehen. Denn da gibt es jede Menge witzige Gestalten zu entdecken. Kobolde tauchen da auf, zwei Hunde streiten um einen Knochen, ein Fuchs predigt den Gänsen und vieles mehr. Auf der Rückseite, im Chor umgang findet man die älteste Abbildung des Kempener Stadtwappens. Ebenfalls im Chorumgang befinden sich die Glasfenster von Wilhelm Geyer aus dem Jahr 1967. Sie zeigen Männer und Frauen, die sich der Nachfolge Christi verschrieben haben. Da zeigt Eickelpasch auf ein Fenster, wo der Münsteraner Bischof Clemens August von Galen, der stets mutig gegen die Nationalsozialisten gepredigt hat, ein Buch mit Hakenkreuz fallenlässt.

Dann nimmt der Kirchenführer den Besucher mit zum Kreuzweg. Die Bilder wurden 1910 vom Historienmaler Heinrich Lamers aus Kevelaer angefertigt. Er hat die biblische Geschichte kurzerhand an den Niederrhein verlegt. Simon von Zirene trägt die Schuffel in der Hand, da er gerade von der Feldarbeit kommt. Bauten wie das Kuhtor tauchen auf. Und auch Lamers' Kinder sind verewigt. Allerdings hat der Maler hier geschludert, zeigt Eickelpasch. Denn bei einer Kreuzwegstation tragen sie Spangenschuhe, auf dem nächsten Bild fehlen die Spangen. Es darf also durchaus auch herzlich gelacht werden bei dieser Kirchenführung.

Das darf man auch bei den vielen Köpfen, die die Kapitelle schmücken. Hier gibt es Gläubige und Ungläubige oder auch einen Schneider, der einen Stein auf den Schultern trägt. Er war zu arm, um für die Kirche zu spenden, deshalb hat er beim Bau mitgeholfen und Steine geschleppt, erzählt eine Legende. So geht es weiter auf den Spuren der einfachen Gläubigkeit quer durch die Jahrhunderte.

Man darf staunen und neugierig sein. Er selbst entdecke nach 40 Jahren, in denen er die Kirche kenne, immer noch etwas Neues, erzählt der Kirchenführer. Und es scheinen immer noch weitere Anekdötchen hinzuzukommen.

(RP)
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