Stadt Willich Stolperstein für Homosexuellen

Stadt Willich · Der 1887 in Anrath geborene Peter August Jöcken starb 1942 im KZ Sachsenhausen. Dorthin kam er, weil er homosexuell war. Am 2. Februar wird in Krefeld, Jöckens letztem freiwilligen Wohnort, ein Stolperstein zu seiner Würdigung verlegt.

Von Peter August Jöcken ist kein Foto erhalten, kein persönliches Dokument, keine Unterschrift. Erhalten ist allein der Fingerabdruck seines rechten Zeigefingers. Peter Jöcken wurde nur 54 Jahre alt. Er wurde am 6. März 1942 im Konzentrationslager Sachsenhausen ermordet - angebliche Todesursache: "Herzschwäche, Grundleiden: Lungenentzündung." Ins KZ kam Peter Jöcken im Frühsommer 1941, wurde zur Nummer 38203 und trug auf seiner Häftlingskleidung den "Rosa Winkel". Denn er war homosexuell. Erstmals wird am 2. Februar in Krefeld mit einem Stolperstein an einen Mann erinnert, der als Homosexueller verfolgt und ermordet wurde.

Jürgen Wenke aus Bochum hat für den Verein "Rosa Strippe", der sich mit den individuellen und gesellschaftlichen Problemen von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intersexuellen befasst und ihnen Hilfestellungen anbietet, über das Schicksal von Peter Jöcken geforscht. Behilflich war ihm dabei auch der Schiefbahner Bernd-Dieter Röhrscheid, der in Willich bereits zahlreiche Stolperstein-Verlegungen mit organisiert hat. Peter Jöcken wurde am 28. August 1887 auf dem Vorster Klotzweg 293 in Anrath geboren und hatte zehn Geschwister. Trotz der großen Familie, in der Jöcken aufwuchs, ist es Jürgen Wenke nicht gelungen, Verwandte ausfindig zu machen, was er sehr bedauert. Denn häufig ist es so, dass auch Angehörige der von den Nazis Ermordeten an den Stolperstein-Verlegungen teilnehmen.

Peter ist das siebte von elf Kindern der katholischen Eheleute Conrad und Catharina Jöcken. Sieben der elf Kinder erreichen das Erwachsenenalter: Gottfried (Anrath 1880-1951), Anna Maria (Anrath 1882-1956), Hermann Carl (Anrath 1883-Düsseldorf 1961), Gertrud (Anrath 1885-1968), Peter A., Johann Heinrich (Anrath 1891-Langenfeld 1952) und Clara (Anrath 1892-Willich 1974). Vier Tage nach Claras Geburt starb Mutter Catharina. Der vielfache Vater und Witwer Conrad heiratete 1897 im Alter von 41 Jahren in zweiter Ehe die 48-jährige Anna Gertrud Konz (Anrath 1848-1925). Peter Jöcken wurde Schmied von Beruf. Wann er Anrath verließ, ist nicht bekannt. Im Januar 1933 wohnte er in Krefeld an der Königstraße 30. Bereits im Mai 1933 zog er weiter nach Köln. Wann genau er von Köln wieder nach Krefeld zurückkehrte, ist nicht belegt - wohl aber, dass er im Jahr 1939 erneut in Krefeld lebte - und zwar an der Königstraße 45, wo nun auch der Stolperstein verlegt wird. Denn diese Adresse ist der letzte bekannte Ort, an dem Peter Jöcken freiwillig lebte.

Die Nationalsozialisten gingen hart gegen Homosexuelle vor. Sie verschärften den noch aus der Kaiserzeit stammenden Paragrafen 175, der einvernehmliche homosexuelle Kontakte zwischen Männern unter Strafe stellt, erweiterten Tatbestände und führten neue ein - so konnten bereits Küssen oder wollüstige Blicke und Kontaktaufnahme zu Ermittlungen und Bestrafung führen. Sie vergrößerten den Strafrahmen von Gefängnis auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren, bespitzelten Treffpunkte von Homosexuellen, führten Razzien durch, legten Listen von namentlich bekannten Homosexuellen an, übten Zensur aus und verboten Zeitschriften und zerschlugen Vereine. Es herrschte ein gesellschaftliches Klima der Angst und Einschüchterung.

"Ob Peter Jöcken aus der Metropole Köln wegzieht, weil dort der Verfolgungsdruck gegenüber Homosexuellen besonders hoch ist, bleibt ungeklärt", so Jürgen Wenke. Die Kölner Polizei verhaftete Peter Jöcken am 31. Januar 1939 wegen des Vorwurfes "widernatürlicher Unzucht". Ob es danach zu einer Verurteilung kommt, ist nicht belegt, jedoch eine erneute Verhaftung am 1. Februar 1940. "Es lässt sich rekonstruieren, dass es zu mindestens einer Verurteilung nach Paragraf 175 gekommen sein muss, möglicherweise sogar zu mehr als einer", so Wenke weiter. Denn am 19. Mai 1941 wird Peter Jöcken von der Polizei in "Vorbeugehaft" genommen. Diese polizeiliche Maßnahme hat zur Folge, dass diejenigen, die die verhängte Haftstrafe voll verbüßt haben, unmittelbar am Strafhaftende in ein KZ deportiert werden. Als "Vorbeugehäftlinge" kommen sie nicht mehr in Freiheit, sondern zu Tode. "Sie sterben durch Erschießung bei angeblichen oder von der SS inszenierten Fluchtversuchen oder durch Folter oder langsame Auszehrung aufgrund Unterernährung bei katastrophalen hygienischen Bedingungen verbunden mit schwerster Sklavenarbeit", berichtet Wenke weiter. So geschah es auch mit Peter Jöcken: Die Vorbeugehaft seit dem 19. Mai 1941 führte zur Deportation in das KZ Sachsenhausen.

Peter Jöcken überlebt den Winter im KZ nicht, er stirbt am 6. März 1942. Die von dem Standesbeamten im KZ Sachsenhausen ausgestellte Sterbeurkunde nennt die angebliche Todesursache: "Herzschwäche, Grundleiden: Pneumonie". "Es ist eine beschönigende Formulierung für einen zielgerichteten Vernichtungsprozess", so Jürgen Wenke. Er hofft nun, Verwandte von Peter Jöcken (auch die Schreibweisen Joecken, Jöecken oder Joeken sind möglich) zu finden. Wer Hinweise hat, kann sich per E-Mail an orga@rosastrippe.de an ihn wenden oder telefonisch an unsere Redaktion: 02152 20 64 22.

(RP)
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