Stadt Willich Stets ein schönes Gefühl der Geborgenheit

Stadt Willich · Cord Aschenbrenner las aus seinem Buch "Das evangelische Pfarrhaus". Dazu gab es Harfenmusik.

Er selbst nennt es einen Abgesang, eine Rückschau auf einen Ort den es so nicht mehr gibt. Im Rahmen der Ökumenischen Kirchenmusiktage in Willich las der Hamburger Autor und Journalist Cord Aschenbrenner aus seinem im vergangenen Jahr erschienenen Buch: "Das evangelische Pfarrhaus." Stimmungsvolle musikalische Akzente setzte die litauische Harfenistin Giedre Siaulty. Rund 30 Gäste tauchten in der Auferstehungskirche in Schiefbahn mit dem Autor in die besondere Atmosphäre des protestantischen Pfarrhauses ein, das er anhand der Geschichte der deutsch-baltischen Pastorenfamilie von Hoerschelmann beispielhaft ausbreitet.

Über neun Generationen brachte diese Familie Pfarrer hervor. Ihr Weg führte sie in der Mitte des 18. Jahrhunderts auf das Werben des russischen Zarin Katharina II. hin ins Baltikum, wo sie bis zum Beginn des zweiten Weltkriegs wirkten. Diese Ära endete nach dem Polenfeldzug mit der Zwangsumsiedlung der so genannten Deutsch-Balten durch die Nationalsozialisten. Heute lebt die Familie, es sind immer noch Pfarrer darunter, in Schleswig-Holstein. Sein Interesse an diesem Thema, das er - zu Unrecht - als ein möglicherweise "abseitiges" bezeichnet, erklärt der Autor mit seiner eigenen Biografie. Eindrücklich schildert er seine Erinnerungen an das Pfarrhaus des Großvaters, an einen Ort voller Leben, Gastfreundschaft und von bürgerlicher Kultiviertheit.

An die Gelassenheit der stets geschäftigen und resoluten Großmutter, die alle Haushaltspflichten souverän stemmte und ihrem Mann in jeder Beziehung den Rücken freihielt. Und an die Ruhe, Autorität und Freundlichkeit des Großvaters. Ein "Gefühl der Geborgenheit" begleitet für ihn die Erinnerung an einen "besonderen Ort". Ein solcher muss es wohl sein, denn dieser Ort hat in der Geschichte schon viele besondere Menschen hervorgebracht. Der Philosoph Friedrich Nietzsche, Schriftsteller Hermann Hesse, Regisseur Hans W. Geißendörfer, die RAF-Terroristin Gudrun Ensslin und Bundeskanzlerin Angela Merkel beispielsweise entstammen protestantischen Pfarrhäusern. Vielleicht liegt es an der ausgeprägten Gesprächskultur in diesen Häusern, die besonders bei Tisch gepflegt wurde. Urgrund und Vorbild für alle protestantischen Pfarrhäuser ist natürlich der Haushalt des Reformators Martin Luther selbst, den er mit seiner Ehefrau Katharina von Bora begründete. Auch hiervon erzählte der Autor an diesem Abend. Hoch war und ist aber auch der Erwartungsdruck an diese Institution, die immer Vorbild sein sollte und sich gewissermaßen auf dem öffentlichen Präsentierteller befand. "Das Pfarrhaus solle die praktische Verkündigung des Evangeliums sein", hieß es etwa. Und wehe, wenn sich da die Kinder des Pfarrers einmal daneben benahmen. Insgesamt aber entsteht das etwas verklärte Bild eines idyllischen Ortes des deutschen Protestantismus, der in sich einen kleinen Kosmos darstellt. Mit vielen Kindern, Gästen, Büchern, Hausmusik, Gesprächen, einem gepflegtem Haushalt und dem Garten, in dem der Hausherr Bienen züchtete und seine Obstbäume beschnitt.

(evs)
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