Heimat erleben in Willich Ortsgeschichte lebendig dargestellt

Stadt Willich · Das Schiefbahner Heimatmuseum bietet dem Besucher eine Zeitreise durch die Jahrtausende. Einen speziellen Trunk gibt es auch, "Tömmelöt-Bröh" genannt.

 Auch ein alter Traktor gehört zum Fundus des Museums. Ernst Kuhlen, Alfons Gunnemann und Heinrich Burgartz drehen eine Runde.

Auch ein alter Traktor gehört zum Fundus des Museums. Ernst Kuhlen, Alfons Gunnemann und Heinrich Burgartz drehen eine Runde.

Foto: Wolfgang Kaiser

Bei den Heimat- und Geschichtsfreunden Willich wird nicht nur Platt jekallt, Kappes geschabt oder Sauerkraut gestampft. Der Verein mit seinem Vorsitzenden Ernst Kuhlen (66), der sich vor einiger Zeit von Schiefbahn aus auf die gesamte Stadt Willich ausgedehnt hat, will nicht nur das Vergangene bewahren, sondern auch den nachfolgenden Generationen zeigen, wie ihre Ur-Großeltern und Großeltern gelebt, gearbeitet oder ihre Freizeit verbracht haben.

 Rosa Zelic und Jose Adomat haben die Kaffeetafel im Museum, in dem es viel zu entdecken gibt, gedeckt.

Rosa Zelic und Jose Adomat haben die Kaffeetafel im Museum, in dem es viel zu entdecken gibt, gedeckt.

Foto: Kaiser, Wolfgang (wka)

Es gibt schon seit Langem ein Museum ("Kamps Pitter") und ein Archiv, das nicht nur für die älteren Ahnen- und Stammbaumforscher von Interesse ist. Oft kommen, sei es von den Grundschulen, von den weiterführenden Schulen oder von den Universitäten, junge Leute vorbei, werden herumgeführt oder schreiben das Gesehene auf. So bieten Christoph Macke, Mara Ring, Helga Mücke und Anne Lichtenberg Führungen an, es gibt Bildungsverträge mit dem Stadtarchiv und einigen Schulen, aus den Schülern werden "Kulturstrolche", die sich für die Ortsgeschichte interessieren, unter anderem wissen wollen, wie früher Holzschuhmacher, Weber oder Landwirte gearbeitet haben.

"Erst kürzlich meldete sich bei uns eine Geschichtsstudentin aus Köln, die in Krefeld ihr Abi gemacht hatte und eine Semesterarbeit zum Thema ,Die Dorfgemeinde und der Flecken Schiefbahn' schreiben will", sagt Bernd-Dieter Röhrscheid, der einer der vielen pädagogischen Fachkräfte ist. Ein anderer wichtiger Kümmerer ist Helmut Fellinger. Ein 17-jähriger Gesamtschüler aus Willich fand durch ihn wichtige Informationen für seine Facharbeit, in der er über die Luftangriffe auf Alt-Willich vor über 70 Jahren schreiben will. Drei Schülerinnen des St.-Bernhard-Gymnasiums haben sich das Thema "Hexen am Niederrhein ausgesucht. Und da 1629 die Schiefbahnerin Grietgen Haaks, nach der in Niederheide eine Straße benannt ist, als Hexe gebrandmarkt und kurz nach dem Urteil verbrannt worden war, fanden die jungen Damen auch hier das Passende.

Wenn man das Museum "Kamps Pitter" betritt, das nach einem früheren Schreiner und Hausmeister des St.-Bernhard-Gymnasiums benannt wurde, begibt man sich auf eine Zeitreise durch die Jahrtausende. Sogar Backenzähne, Schenkel- und Gelenkknochen, die auf einen früheren Mammut-Friedhof im Schiefbahner Bruch hinweisen, sind ausgestellt. Neben dem Modell einer "Festung Schiefbahn" um 1800 oder dem Hubertus-Schlüssel, der früher zum Brandmarken tollwütiger Tiere benutzt worden war. Und ab und an kommen historische Funde dazu. Beim RP-Gespräch meldete sich gerade telefonisch Baldur Vander, der in der Niers Scherben aus der Römerzeit gefunden hatte.

Aber das ist längst noch nicht alles. Man entdeckt Materialien, die einst Schneider, Hutmacher, Hausweber oder Maler wie Josef Pauen, benutzt haben. Schlaf- und Essräume von anno dazumal sind ebenso zu sehen wie uralte Fotoapparate, Schallplattenspieler oder ein Filmvorführgerät, das noch 1938 im Schiefbahner Kino "Capitol" stand. Auf alten kunstvollen Fenstern vom ehemaligen "Brauhaus" sind unter anderem Braumeister Peter Tillmanns oder einige Gründungsmitglieder von "Cäcilia" zu erkennen, Josef Pauen, Michael Schmitz, Heinrich Porten und Josef Beschoten. Einen speziellen Trunk gibt es auch: den auf Rhabarber- und Wodka-Basis von Ulrike Stolte hergestellten Schnaps "Tömmelöt-Bröh". Tömmelöt heißt Purzelbaum, den wohl einige nach unkontrolliertem Verzehr schlagen.

Draußen am Museum steht ein historischer Geräte- und Fahrzeugpark, unter anderem mit Mähbindern, Hafer-Quetschen, Strohschneidemaschinen oder einem alten von Alfons Gunnemann und Heinrich Burgartz wieder fahrbereit gemachten Museumstraktor. Innen decken gerade Rosa Zelic und Jose Adomat die Kaffeetafel. Es ist Dienstag. Und an jedem dieser Dienstage trifft sich unter der Leitung von Theo Nießen eine 18-köpfige "Baukolonne", die instand setzt oder die Anlage erweitert. So soll dort ab dem nächsten Jahr ein zweiter großer Museumstrakt entstehen. Der Bauantrag für dieses 465.000-Euro-Projekt wurde gerade eingereicht. Fast alle Förderzusagen von einigen Kultur- und Sparkassenstiftungen sind da. Etwa 90.000 Euro davon will der Verein durch Eigenleistungen aufbringen.

(wsc)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort