Stadt Willich Neersener "Brillengangster" stehen vor Gericht

Stadt Willich · Mehr als eine halbe Stunde brauchte die Staatsanwältin gestern, um vor dem Düsseldorfer Landgericht die Anklage gegen drei Männer zu verlesen. Unter Regie eines 43-jährigen Mönchengladbachers sollen zwei Drogensüchtige (33 und 30 Jahre alt) innerhalb von sechs Monaten 18 Banküberfälle quer durchs Rheinland verübt und dabei mehr als 100.000 Euro erbeutet haben. Von den Überfällen wurden drei im Kreis Viersen verübt - einer davon in Neersen.

Zunächst waren die Behörden von einem einzigen Serientäter ausgegangen, der stets mit auffälliger Brille und mit Käppis unter Waffenandrohung die Bankfilialen heimgesucht hatte. Erst die Neusser Kripo deckte dann auf, dass es zwei Räuber waren, die abwechselnd mit Brille und Käppi agierten - und dass beide nur die Handlanger des Haupttäters und Drahtziehers gewesen sein sollen.

So leise und unauffällig trat der "Brillen-Räuber" bei den Taten auf, dass Kunden und Bankangestellte seinen Raubzug oft nicht bemerkten. Meist erfuhren die überfallenen Kassierer in Twist, Unna, Mayen, Neuss, Höxter, Krefeld, Mönchengladbach, Wuppertal oder Hückelhoven nur durch einen Zettel des Täters, dass dies ein Raubüberfall sei und sie mit Waffengewalt rechnen müssten.

In Neersen soll sich der Überfall am 21. Januar folgendermaßen zugetragen haben: Laut damaligem Polizeibericht half um 11.50 Uhr eine Mitarbeiterin der Bank am Minoritenplatz einer älteren Kundin dabei, Geld am Automaten einzuzahlen. Ein hinter ihr stehender Mann hob dabei sein Sweatshirt an, sagte "Überfall" und zeigte eine Pistole im Hosenbund. Die Bankangestellte gab ihm daraufhin das Geld. Anschließend ging die Angestellte zum Bankschalter. Der Tatverdächtige folgte ihr ein Stück, verließ aber dann fluchtartig die Bank, möglicherweise weil er fürchtete, die Bankangestellte werde einen Alarm auslösen.

In anderen Fällen füllten die Bankangestellten in mitgebrachte Plastiktüten Bargeld, das teils aus durchnummerierten und registrierten Scheinen bestand. Die beiden laut Anklage abwechselnd in gleicher Verkleidung auftretenden Männer sahen sich dabei so ähnlich, dass anhand von Tatortfotos selbst Spezialisten kaum den einen vom anderen unterscheiden konnten. Beide Männer haben sich schon vor Prozessbeginn in Teilgeständnissen geäußert. Doch der mutmaßliche Drahtzieher, der alle Aktionen geplant, Tatorte ausgekundschaftet und mit einem Fluchtauto nahe der Bankfilialen auf den jeweils als Räuber eingesetzten Komplizen gewartet haben soll, hat bisher geschwiegen.

Zum Prozessauftakt hüllten sich gestern sämtliche Angeklagte zunächst in Schweigen. Ob sich das am nächsten Prozesstag ändert, ist noch unklar. Für die Verhandlung hat das Landgericht noch 25 Prozesstage bis Ende April eingeplant.

(RP)
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