Serie Musiker Und Ihr Instrument: Emanuel Wehse Musik - Suche nach dem Glück-Moment

Willich · Als Sohn eines Cellisten lag für Emanuel Wehse dieses Streichinstrument nahe. Nach dem Studium an der Folkwang-Schule ist der Cellist in Kempen "hängen geblieben". Sein Morgenstern Trio hat in der Paterskirche bereits eine Platte aufgenommen.

 Für das Foto spielt Emanuel Wehse im Innenhof des Beyertzhofes in St. Hubert. Eine Nachbarin wünschte sich spontan ein ganzes Konzert auf dem schönen Platz des alten Hofes.

Für das Foto spielt Emanuel Wehse im Innenhof des Beyertzhofes in St. Hubert. Eine Nachbarin wünschte sich spontan ein ganzes Konzert auf dem schönen Platz des alten Hofes.

Foto: WOLFGANG KAISER

ST. HUBERT Beim Cellospielen geht der Musiker mit seinem Instrument eine wunderbare Einheit ein: "...als würde man das Instrument umarmen", schwärmt der Kempener Emanuel Wehse (35), Cellist des international erfolgreichen Morgenstern Trios. Denn beim Spielen übertragen sich die Schwingungen im Corpus auf den Körper, über den Stachel sogar auf den Bühnenboden. Für Wehse ist das Cello "ein Medium, eine besonders schöne Art, mich auszudrücken".

Dafür hält er das Cello vor allen anderen Instrumenten als besonders geeignet. Selbst viele Musikerkollegen geben zu, dass auch sie das Cello reizen würde. Der Tonumfang des Instruments ist der menschlichen Stimme sehr ähnlich: Es umfasst alle Facetten vom Bass bis zum Sopran. "Ich habe den Eindruck, dass Komponisten gerne die Klangfarbe des Cellos nutzen, wenn sie etwas ganz Besonderes ausdrücken möchten", so Wehse.

Viele Kollegen greifen bei der Instrumentenwahl auf alte, wertvolle Instrumente zurück. Während des Studiums spielte auch Wehse auf einem Cello von ca. 1790, das ihm als Stipendiat der Villa Musica zur Verfügung gestellt wurde. Sein heutiges Cello ist dagegen ein modernes Instrument, erst 2007 erbaut. Es steht aber den alten Meistern in nichts nach - und natürlich ist es nicht unpraktisch, dass der Erbauer noch lebt und im Falle eines Falles jederzeit etwas reparieren könnte. Dabei hat sich die Bauart des Cellos seit 400 Jahren nicht nennenswert verändert. Mindestens so wichtig wie das Instrument selber ist der Bogen. Wehse hat jede Menge Bögen ausprobiert. Im Moment spielt er mit zwei verschiedenen, der eine wurde 1987 hergestellt, der zweite ist schon 120 Jahre alt. Die Bögen mit Rosshaar und aus brasilianischem Edelholz unterscheiden sich äußerlich nur minimal, doch die unterschiedlich geschwungene Form, die Griffigkeit und die Flexibilität wirken sich entscheidend auf den Ton aus.

Wie wird man eigentlich Profimusiker? Emanuel Wehse wuchs in einem sehr musikalischen Haus in Mainz auf. Schon sein Vater spielt das Cello und unterrichtete an der Musik- und Kunstschule in Wiesbaden. Seine Mutter spielt Klavier und Bratsche, ist Chorleiterin und singt selber viel in Chören. Mit sechs Jahren erhielt er von seinem Vater ersten Cello-Unterricht. Heute sagt Wehse, er sei als Kind zweisprachig aufgewachsen: mit deutsch und der Sprache der Musik.

Sehr prägend waren für ihn die Gemeinschaftserlebnisse und das Zusammenspiel im Landesjugendorchester Rheinland-Pfalz, dem LJO. Sicher waren Cello und Klassik für einen 14-jährigen nicht das Coolste, aber im Orchester traf man auf viele Gleichgesinnte und lernte fantastische Dirigenten wie Michael Luig und Klaus Arp kennen. Als junger Mensch erlebte er hier den umwerfenden Klang im Orchester, der bei allen Mitspielern zu überragenden Glücksmomenten führte. Die Musik ist für Wehse überhaupt eine ständige Suche nach diesen besonderen Momenten. Mit dem LJO seines Heimatbundeslandes ist Emanuel Wehse heute immer noch verbunden - seit zehn Jahren coacht er dort die Nachwuchscellisten.

Nach dem Landesjugendorchester war der Berufswunsch schnell klar. Emanuel Wehse studierte an der Folkwang-Hochschule(oder Folkwang Universität der Künste) in Essen bei dem koreanischen Cellisten Young-Chang Cho, der wiederum ein Schüler des berühmten russischen Cellisten Rostropowitsch war. Schon während des Studiums gründete Wehse mit Studienkollegen das MorgensternTrio. In der Besetzung Catherine Klipfel, Klavier, Stefan Hempel, Violine, und Emanuel Wehse, Violoncello, existiert es bis heute, ist Preisträger bedeutender internationaler Wettbewerbe und hat bereits vier Aufnahmen eingespielt. Eine davon wurde in der Paterskirche in Kempen aufgenommen, als das Morgenstern Trio hier 2014 ein ganzes Festival gestalten durfte.

Wehse liebt sein Klaviertrio, in dem er sich als Cellist durchaus als Solist fühlen kann, denn anders als in vielen Streichquartetten wird dem Cello im Klaviertrio eine deutlich tragendere Rolle zugeordnet.

Da die Pianistin mit ihrer Familie in Düsseldorf lebt, und die Familie des Geigers in Berlin, wird abwechselnd in Berlin oder Düsseldorf geprobt. Wehse und sein Morgenstern-Trio sind viel unterwegs, spielen Konzerte in den Niederlanden, Frankreich und Italien; 2017 stehen drei USA-Tourneen an.Seit anderthalb Jahren unterrichtet Wehse auch an der Musikakademie Kassel. So pendelt er zusätzlich an zwei Tagen in der Woche dorthin.

Seit fünf Jahren lebt Emanuel Wehse mit seiner Frau und zwei Kindern in Kempen, vielmehr in St. Hubert auf dem Beyertzhof. Die Hofgemeinschaft mit vielen jungen Familien empfindet er als ein großes Glück. Hier entspannt er von den vielen Reisen, verbringt Zeit mit der Familie und schafft es auch ab und zu zum wöchentlichen "Training" der Fußballtruppe "Filigrantechniker" zu gehen - eine Runde aus Familienvätern, die sich über den Kindergarten seines Sohnes zusammengefunden hat.

"Kempen hat glücklicherweise auch kulturell einiges zu bieten", so Wehse. Für die Veranstaltungen des Vereins Kempen Klassik findet er sehr lobende Worte: Die wirklich hervorragende Reihe genüge internationalen Ansprüchen. Für diese Saison hat er selbst ein Abo, auch wenn er es wohl nicht zu allen Konzerten schaffen wird. Umso mehr freut er sich auf sein nächstes eigenes Konzert mit dem Morgenstern Trio. Dafür ist nämlich ausnahmsweise keine Anreise nötig: Das Trio spielt am 21. und 22. September im Kloster Kamp.

(RP)
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