Stadt Willich Minister und Hund im Gefängnis

Stadt Willich · Gestern besuchte Landesjustizminister Thomas Kutschaty das Frauengefängnis in Anrath. Dort gibt es seit Beginn des Jahres eine sozialtherapeutische Abteilung. Flat-Coated-Retriever "Paule" bringt dort die Frauen miteinander ins Gespräch.

 Ulrike Böhm (von links), Leiterin der JVA Willich II, Konflikttrainerin Carmen Reeacca Gey, NRW-Justizminister Thomas Kutschaty und die JVA-Mitarbeiterinnen Birgitt Stormanns und Brigitte Kückes im Hof des Gefängnisses.

Ulrike Böhm (von links), Leiterin der JVA Willich II, Konflikttrainerin Carmen Reeacca Gey, NRW-Justizminister Thomas Kutschaty und die JVA-Mitarbeiterinnen Birgitt Stormanns und Brigitte Kückes im Hof des Gefängnisses.

Foto: Wolfgang Kaiser

Nahezu regelmäßig bringt Carmen Rebecca Gey ihren glatthaarigen Flat-Coated-Retriever "Paule" mit ins Frauengefängnis. Zu Paule haben einige der Inhaftierten mittlerweile Vertrauen, kommen mit ihm und dadurch auch mit anderen Frauen ins Gespräch. Es gibt aber auch für 16 Frauen dort zweibeinige Therapeuten, Psychologen oder Sozialarbeiter. In einer neuen sozialtherapeutischen Abteilung, kurz SothA genannt.

Da es sich um ein Pilotprojekt des Landes handelt, schaute sich dort gestern NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (47, SPD) um. Denn seit Januar gibt es in einem separaten Flügel des Frauenhauses diese SothA. In den Männeranstalten gibt es so etwas schon länger. "Und das ist jetzt ein weiteres Indiz, dass es auch bei den Frauen schon längst keinen reinen Verwahr-Vollzug mehr gibt", sagt Kutschaty.

Bevor der Minister da ist, sagt die Leiterin der Justizvollzugsanstalt II, Ulrike Böhm, worum es geht: Frauen, die größtenteils wegen versuchter oder vollzogener Tötungsdelikte verurteilt sind, soll die Möglichkeit geschaffen werden, sich in Einzel- und Gruppenstunden zu öffnen, zu ihren Straftaten zu stehen, um dann daraus gemeinsam mit den Experten Konzepte hin zu einem hoffentlich straffreien Leben nach der Entlassung zu entwickeln.

Die 16 Frauen leben in Einzelzellen in der neuen Abteilung. Sie erhalten Zellenschlüssel, können ihre Unterkünfte bis täglich 21 Uhr auf- oder abschließen. Es gibt kleinere und etwas größere Besprechungs- und Gruppenräume und eine intensive Betreuung. Darum kümmern sich in der SothA neben fünf Mitarbeitern des Allgemeinen Vollzugsdienstes jeweils 1,5 Mitarbeiter des Sozialdienstes und des psychologischen Dienstes.

"Erst einmal müssen die Frauen ihre Hemmschwelle überwinden und sich mitteilen", sagt Carmen Rebecca Gey, die als Konflikttrainerin mehrere Ausbildungen hat und zugleich Seelsorgerin, Diplom-Psychologin und approbierte Psycho-Therapeutin ist. Sie wird wahrscheinlich in Kürze die Leitung der SothA übertragen bekommen. Mit beim gestrigen Gespräch waren ferner neben drei Mitarbeitern des Ministeriums die Bereichsleiterin der Sozial-Therapie, Brigitte Kückes, und Sozial-Pädagogin Birgitt Stormanns.

Rund tausend Frauen sitzen derzeit in den NRW-Gefängnissen ein, dem gegenüber sind es rund 16.500 Männer. In Anrath sind es momentan 207 Frauen im geschlossenen und 67 im offenen Vollzug. Und das Angebot in der JVA II gilt für alle tausend Frauen. "Wir warten mal ab, wie dies angenommen wird, ehe wir über Ergänzungen nachdenken", sagte der Minister. Derzeit kommen die 16 Frauen ausnahmslos aus der JVA Willich II, es gibt eine erste Warteliste.

Einige Frauen haben die Therapie zwar nach kurzer Zeit abgebrochen, die meisten sind aber trotz anfänglicher Skepsis geblieben. Carmen Rebecca Gey nennt beispielhaft eine Gefangene, die in ihrem Sozialverhalten erhebliche Defizite hatte, oft rücksichtlos nur ihre Interessen im Sinn hatte. Gey: "Und sie sagte, dass sie zum ersten Mal überhaupt von der Gruppe wahr- und angenommen worden sei."

In regelmäßigen Konferenzen und Hilfsplänen wird kontinuierlich mit und über die Hilfesuchenden gesprochen. Was in der Abteilung überhaupt nicht geht und zum sofortigen Abbruch führt: Verletzung der Verschwiegenheitspflicht, Drogenverteilung und -konsum, Gewalt gegen Inhaftierte und Justizvollzugsangestellte. Die Dauer der Therapie liege, so Kutschaty, zwischen drei und fünf Jahren.

(wsc)
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