Serie Zu Hause In . . . Vorst Kleines Dorf mit großer Geschichte

Willich · Vorst, ein Stadtteil von Tönisvorst, hat nur 7000 Einwohner, blickt aber auf eine stolze Vergangenheit zurück. Fünf sehr gut erhaltene Herrensitze zeugen von Bedeutung und Reichtum der ehemals selbstständigen Gemeinde.

 Vorsitzender Heinz-Josef Köhler und Beisitzer Günter Huben vom Heimatverein stehen vor dem Jans-Haus, mit 1580 das älteste Haus am Markt. In unmittelbarer Nähe steht die Nachbildung der historischen "Maart-Pomp", die Marktpumpe, zu alten Zeiten für Vorster "der Mittelpunkt der Welt".

Vorsitzender Heinz-Josef Köhler und Beisitzer Günter Huben vom Heimatverein stehen vor dem Jans-Haus, mit 1580 das älteste Haus am Markt. In unmittelbarer Nähe steht die Nachbildung der historischen "Maart-Pomp", die Marktpumpe, zu alten Zeiten für Vorster "der Mittelpunkt der Welt".

Foto: Wolfgang Kaiser

VORST Wer Vorst besucht, sollte ein Fahrrad mitnehmen, denn die größten Sehenswürdigkeiten, die rund 500 Jahre alten Adelssitze Haus Neersdonk, Haus Raedt, Haus Donk und der Gelleshof liegen außerhalb des Ortskerns. Eine Ausnahme bildet Haus Brempt, der fünfte Vorster Adelssitz, der nur wenige Meter von der Pfarrkirche St. Godehard im Ortsmittelpunkt entfernt ist.

"Schon 900 wurde das auf einer künstlichen Erhebung angelegte Anwesen erstmals erwähnt", weiß Heinz-Josef Köhler, Vorsitzender des Heimatvereins. Das heutige Gebäude stammt jedoch aus der Zeit zwischen 1650 und 1660. "Lediglich der Turm mit der barocken Haube ist noch etwas älter", sagt Köhler. Früher war Haust Brempt von Wassergräben umwehrt, die vom Schleckbach gefüllt wurden. Heute ist der Bach zum größten Teil kanalisiert.

 Dieses Fachwerkhaus an der Dellstraße 9 stammt aus dem 18. Jahrhundert. Die Gefächer wurden später mit Zierbackstein ergänzt.

Dieses Fachwerkhaus an der Dellstraße 9 stammt aus dem 18. Jahrhundert. Die Gefächer wurden später mit Zierbackstein ergänzt.

Foto: Kaiser, Wolfgang (wka)

Ob es das Wasser war oder die gute Lage, für Menschen war das Fleckchen Erde, auf dem Vorst entstand, schon sehr früh interessant. Archäologen haben Siedlungsspuren aus der Jungsteinzeit zwischen 1000 und 58 vor Christus an der heutigen Butzenstraße gefunden. Eine römisch-germanische Siedlung aus der Zeit zwischen 60 vor und 60 nach Christus konnte an Hinkes Weißhof nachgewiesen werden. In der Frankenzeit zwischen 486 und 987 entstanden erste Ackerburgen auf Vorster Gebiet. "Beim Einfall der Wikinger um 900 zog sich der fränkische Landadel in die sumpfigen Niers-Niederungen zurück und legte dort Wehr- und Wohntürme auf Motten, künstlichen Erhebungen, und Donken, natürlichen Erhebungen, an. "Das war der Grundstein für die heutigen Herrensitze", sagt Köhler, der gerne scherzhaft behauptet, alle Vorster seien ob dieser Vorfahren adelig.

Wer sich innerhalb des Ortskerns bewegen möchte, findet auch dort Sehenswürdigkeiten. So weisen Günter Huben und Heinz-Josef Köhler auf das Jans-Haus hin. Das älteste Haus am Markt wurde etwa 1580 gebaut und hat als einziges Gebäude eine Brandkatastrophe überstanden, die den Ortskern 1813 in Schutt und Asche legte. Früher befand sich in dem Fachwerkgebäude eine Gastwirtschaft, heute ist es ein privates Wohnhaus.

 Zu Füßen des Heiligen legten die Bauern für die Messe ihre Zigarren ab.

Zu Füßen des Heiligen legten die Bauern für die Messe ihre Zigarren ab.

Foto: Kaiser, Wolfgang (wka)

In unmittelbarer Nähe steht die Nachbildung der historischen "Maart-Pomp". Die Marktpumpe war für die Vorster viele Jahrzehnte lang der "Mittelpunkt der Welt", erzählt Heinz-Josef Köhler. An diesem zentralen Treffpunkt, an dem die Dorfbewohner ihr Wasser holten, wurden Neuigkeiten ausgetauscht und Wasser zur Brandbekämpfung gepumpt. "Noch lange zogen die Schützen beim Schützenfest dreimal um die Marktpumpe herum, um die Wichtigkeit dieses unscheinbaren Objekts zu unterstreichen", erzählt Köhler. An der Randbefestigung ist das Vorster Wahrzeichen, der "Quackmann", zu finden.

Sehenswert ist auch die 1896 geweihte katholische Pfarrkirche St. Godehard. Der Bau der Kirche wurde vollständig von der Gemeinde selber bezahlt. 2100 Menschen finden im Inneren Platz. Am Hauptportal, das übrigens ungewöhnlicherweise zweigeteilt ist, befindet sich die Statue des heiligen Godehard. "Früher legten die Bauern zu seinen Füßen die Zigarre ab", erzählt Günter Huben, "war die Messe aus, nahmen sie den Stumpen und zündeten ihn wieder an."

Und Bauern gab es reichlich in Vorst. Noch heute hat der Stadtteil, der flächenmäßig größer ist als St. Tönis, etliche landwirtschaftliche Betriebe. "Im Vergleich zu früher ist das aber nichts", sagt Köhler, "es gab Zeiten, da hatte Vorst 170 Bauernhöfe und 40 Kneipen." Überlebt hat aus dieser Zeit das reiche Vereinswesen, das den Ort noch heute prägt. Und noch zwei Besonderheiten hat Vorst: In der Huverheide liegt das größte Apfelanbaugebiet vom Niederrhein und an der St. Töniser Straße steht mit "Action Medeor" das größte Medikamentenhilfswerk von Europa. Von dort werden Hilfspakete in alle Welt ausgeliefert.

(WS03)
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