Stadt Kempen Im Zeichen des unterschätzten Bach-Sohnes

Stadt Kempen · Ana-Marija Markovina ist eine bemerkenswerte Künstlerin. 1970 in Osijek (Kroatien) geboren, studierte sie bei so berühmten Lehrern wie Vitaly Margulis, Anatol Ugorski oder Paul Badura-Skoda und bewegte sich schon bald bei ihrer Werkauswahl abseits ausgetretener Pfade. Alleine ihre Diskographie nötigt Achtung ab: Da steht die Weltersteinspielung des Gesamtklavierwerks von Hugo Wolf neben Engelbert Humperdincks vierhändiger Fassung von Wagners "Parsifal" und - ausgezeichnet mit dem Preis der deutschen Schallplattenkritik - das gesamte Klavierwerk von Bach-Sohn Carl Philipp Emanuel (1714-1788) - auf 26 CDs.

 Die Pianistin Ana-Marija Markovina bezeichnet sich selber als "süchtig nach der Musik" des Bach-Sohnes Carl Philipp Emanuel.

Die Pianistin Ana-Marija Markovina bezeichnet sich selber als "süchtig nach der Musik" des Bach-Sohnes Carl Philipp Emanuel.

Foto: MARKOVINA

Daraus präsentierte die Pianistin im Rahmen von "Klavier extra" in der gut gefüllten Paterskirche einen kleinen Ausschnitt, der jedoch so ausführlich geriet, dass nicht alle Besucher bis zum Konzertende blieben. Das war zwar verständlich, andererseits aber bedauerlich, denn die interessanten Informationen und das facettenreiche, engagierte Spiel Markovinas lohnten die Geduld. "Ich bin süchtig nach der Musik dieses häufig unterschätzten Bach-Sohnes, der oft fälschlich lediglich als braver Kammercembalist Friedrichs des Großen apostrophiert wird", so die Pianistin. "Dabei war er ein Revolutionär, der sich über kompositorische Konventionen hinwegsetzte und um der Expressivität willen auch vor skurrilen Harmonieverbindungen, gewagten melodischen Wendungen und Überraschungseffekten nicht zurückschreckte".

Vieles in Philipp Emanuels Schaffen ist so schwer zu spielen, dass er schon im Vorhinein wusste, es lasse sich nicht verkaufen. Manchmal überwand er sich, weniger Kompliziertes zu schreiben, beispielsweise eine "Damen-Sonate" oder "Kleine Stücke".

Beides erklang unter anderem an diesem außergewöhnlichen Abend, und die Pianistin wusste die von ihr so geliebten Werke mit beispielhafter Intensität, makellosem technischem Vermögen und unerschöpflichem Farbenspektrum zu vermitteln. Darauf legt sie besonderen Wert, denn die Klangdifferenzierungen, die der Komponist zu seinen Lebzeiten mittels des Clavichords, eines Vorgängers des Klavieres, erreichte, sind unerlässlich. Das betrifft vornehmlich die langsamen Sätze, für die der Tonsetzer traumschöne Melodien ersann.

Markovina stellte eine Reihe Sonaten, diverse Rondos und mehrere Fantasien vor - namentlich bei Letzteren ließ der Komponist seinen Ideen freien Lauf. Den Abschluss bildete der Finalsatz der "Württembergischen Sonate a-Moll", ein "Allegro assai", das einen Wutausbruch darstellt. Doch das Publikum teilte die Wut nicht - es applaudierte ausdauernd und erhielt noch eine Zugabe.

(RP)
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