Kreis Viersen Erholungauf der Niers

Kreis Viersen · Der Niersverband setzt nach und nach seine ehrgeizigen Pläne um. Aus dem einstigen "Rio Tinto" ist ein Lebensraum für Pflanzen und Insekten geworden. Wer einmal auf der Niers gepaddelt hat, weiß, welchen Spaß das macht.

 So schön breit und träge fließt die Niers nach dem Umbau durch die Landschaft.

So schön breit und träge fließt die Niers nach dem Umbau durch die Landschaft.

Foto: karsten jürgen

Seit fast 20 Jahren setzt der Niersverband seine Planung zum ökologischen Umbau des Flusses um. Mit großem finanziellen Aufwand und noch größerem Engagement läuft die Umgestaltung des einst kanalartigen Flüsschens in einen mäandrierenden, also kurvenreichen und naturnahen Fluss, in dem wieder vermehrt Fische, aber auch viele andere natürlicherweise vorkommende Tier- radiesund Pflanzenarten gut leben können. Neben diesem Aspekt wirken die Verbreiterung des Flussbettes und die Laufverlängerung der Niers wie ein großer Wasserspeicher. Dadurch wird Hochwasser aus den Siedlungsbereichen ferngehalten und kann schadlos in den neu gestalteten Bereichen gepuffert werden.

 Kein Vergleich zu früher: Für Paddelfreunde hat sich die Niers zu einem wahren Paradies entwickelt.

Kein Vergleich zu früher: Für Paddelfreunde hat sich die Niers zu einem wahren Paradies entwickelt.

Foto: Jürgen Karsten

Die Niers hatte es nie leicht: Bereits im 14. Jahrhundert wollten die Bewohner des Nierstales die Wasserkraft nutzen. Sie stauten das Wasser und bauten Wassermühlen mit Deichen. Aus dem Jahre 1836 ist die Zahl der Stauanlagen an der Niers überliefert: Es waren deren stolze 51. Die Müller lebten gut, wurden immer einflussreicher und bald schon sprach man vom "Niederrheinischen Mühlenadel". Der Niers sei Dank. Der Nachteil dieser Entwicklung aber war groß: Weite Bereiche der Niersniederung wandelten sich durch die Vielzahl der Stauanlagen nach und nach zu immer unzugänglicheren Bruchlandschaften und sogar zu Sümpfen. Es mussten Gräben angelegt werden, um das Gelände zu entwässern und so überhaupt eine landwirtschaftliche Nutzung sicherzustellen.

Anfang des 19. Jahrhunderts kamen dann durch die zunehmende Industrialisierung wieder völlig andere und neue Probleme auf die Niers zu. Es entwickelten sich neben Webereien und Spinnereien auch Färbereien und Gerbereien sowie Firmen der Papier- und Maschinenherstellung. Die Wasserqualität wurde immer schlechter und verschärfte die Probleme aus der Versumpfung noch mehr.

Die Niers stank zum Himmel, wurde Rio Tinto getauft und brachte es als Diskussionsthema bis in den Berliner Reichstag, wo man eigens einen Niers-Ausschuss bildete, um sich der Probleme anzunehmen. Man beschloss unter anderem "Maßnahmen zur Abflussbeschleunigung". So wurde 1936 durch den Reichsarbeitsdienst die Niers zu einem schnurgeraden Kanal, damit das Wasser möglichst schnell abfließen konnte. So kannte man die Niers dann noch Jahrzehnte später.

Mit gestiegenem Umweltbewusstsein kam es aber zu völlig neuen Überlegungen, den Fluss wieder als einen wesentlichen Bestandteil des Ökosystems zu sehen und ihn naturnah umzuwandeln. Das Niersauenkonzept war geboren, das vom Niersverband in Angriff genommen und zu wesentlichen Teilen mit beachtlichem finanziellem Aufwand bereits umgesetzt wurde.

Erstellt wurde die Planung in den Jahren zwischen 1993 und 1997. Aus dem Kanal Niers sollte schrittweise ein sich wieder schlängelnder natürlicher Fluss werden, der einen hohen Freizeitwert haben und wieder naturnah gestaltet werden sollte. Man befreite zudem die Ufer von den eintönigen Pappeln und pflanzte dafür wieder einheimische und besser passende Gehölze.

Es waren dabei auch Bedenken zu überwinden: So glaubte mancher Landwirt oder Anlieger, der ökologische Umbau könne den Abfluss behindern und zu Vernässungen führen. Der Niersverband hat bei allen Plänen aber nie den notwendigen Hochwasserabfluss aus den Augen verloren. Mit einer Reihe begleitender Maßnahmen, zu denen vor allem der Bau von Hochwasserrückhaltebecken gehört, wurde dem Rechnung getragen. Auch der bei Willich vom Niersverband geschaffene Nierssee gehört zu den Regulierungsmaßnahmen. Bei Starkregen aber kann es am Nierslauf dennoch zu Überschwemmungen kommen. Der naturnahe Ausbau der Niers sieht aber nicht nur schön aus, weil er die Niers von ihrem starren Bett befreit, er schafft auch selbst Retentionsraum und hält Wasser im Flussbett selbst zurück. Das ist ökologisch sinnvoll und spart eine Menge Geld, denn dadurch werden weniger teure Rückhaltebecken notwendig.

Die Versiegelung von Flächen ist eine der Ursachen für die Maßnahmen des Niersverbandes, die der Verband aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen trifft. Regenwasser kann auf versiegelten Flächen nicht versickern und fließt in der Regel sehr schnell über Regenwasserkanäle in das nächstgelegene Gewässer ab. Solche Einleitungen werden zukünftig nur noch genehmigt, wenn sie für das Gewässer nicht schädlich sind. Der Nachweis der Gewässerverträglichkeit kann aber an kaum einer Stelle wirklich erbracht werden. Durch die Einleitung erhöht sich die Fließgeschwindigkeit im Gewässer stark, so dass die dort lebenden Kleinlebewesen weggespült werden. Deshalb wäre der Bau von großen und entsprechend teuren Regenrückhaltebecken die Alternative, die das Regenwasser aufnehmen und dann gedrosselt nach und nach wieder in das Gewässer abgeben. In trockenen Zeiten allerdings wären die Becken ohne Funktion. Deshalb hat der Niersverband gemeinsam mit Partnern vor Ort ein anderes Konzept entwickelt. Das sieht vor, die Gewässer wieder streckenweise naturnah umzugestalten und so an die vorhandenen Einleitungsmengen anzupassen. Die Fließgeschwindigkeit des Gewässers überschreitet dann den kritischen Wert nicht mehr, Kleinlebewesen können sich im Hochwasserfall zurückziehen und später wieder das gesamte Gewässer besiedeln.

Dieses Konzept des Niersverbandes hat mehrere positive Aspekte: Die gesetzlichen Anforderungen an die Gewässerverträglichkeit der Niederschlagsmengen können erfüllt werden. Auch die Anforderungen der EU-Wasserrahmenrichtlinie werden erfüllt. Diese sehen vor, die Niers wieder in einen ökologisch guten Zustand zu versetzen. Das bedeutet zum Beispiel auch, dass verschiedene Arten von Kleinlebewesen mit einer entsprechenden Anzahl dauerhaft im Gewässer leben und sich vermehren. Außerdem bietet ein lebendiges naturnahes Gewässer einen erhöhten Freizeit- und Erholungswert.

Die zunehmende Nutzung durch Bootfahrer belegt die gestiegene Attraktivität des Flusses ganz offensichtlich. Eine größere Anzahl von Bootsvermietern macht inzwischen ein gutes Geschäft mit dieser Art Wassersport.

(RP)
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