Willich Eine Klasse kämpft für Murad

Willich · Der krebskranke Syrer besucht seit drei Wochen das Berufskolleg in Lobberich. Sein größter Wunsch ist es, nach drei Jahren Mutter und Geschwister wiederzusehen. Wie seine Mitschüler geholfen haben, um diesen Traum zu erfüllen.

Drei Jahre ist es her, seit Murad Wesse seine Mutter, seine Schwester und seine Brüder gesehen hat. Damals floh der 18-jährige Syrer über die Türkei, Griechenland und Österreich bis nach Deutschland. "Seitdem ist kein Tag vergangen, an dem ich sie nicht vermisse", sagt er. Jetzt drohte der Familie sogar eine noch längere, wenn nicht endgültige Trennung: Murads Mutter und seine drei Geschwister (15, 16 und 17 Jahre) sollten aus Griechenland abgeschoben werden. Doch seine Mitschüler in der Lobbericher Zweigstelle des Rhein-Maas-Berufskollegs Kempen halfen dem krebskranken Jugendlichen in der schwersten Zeit seines Lebens.

Murad ist aus dem syrischen Aleppo geflohen: "Dort herrschte Krieg, ein normales Leben war nicht mehr möglich. Alles ist zerstört", sagt der 18-Jährige. Deshalb verließ er seine Heimat, war zu Fuß 41 Tage unterwegs, bis er Wien erreichte. In Dortmund stellte er einen Antrag auf Asyl, zog nach Bracht, besuchte die Schule und lernte Deutsch - trotz Chemotherapie. Inzwischen ist er anerkannter Asylbewerber und besucht die Berufsschule.

Auch seine Mutter und Geschwister hatten Aleppo verlassen, leben in einem Flüchtlingslager in Griechenland. Über Skype hielt der 18-Jährige Kontakt. "Sie waren in einer Schule untergebracht, mehrere Familien in einer Klasse", schildert er. Insbesondere für seine Schwester belastend - zweimal habe sie versucht, sich umzubringen. "Ich wollte meine Familie so schnell wie möglich nach Deutschland holen", so der Berufsschüler. Doch dann drohte ihr die Abschiebung in die Türkei. Wesse nahm Kontakt zur Ausländerbehörde in Deutschland und zu den Behörden in Griechenland auf - und erzählte seinen Klassenkameraden von seinen Problemen. Die 23 - allen voran die Klassensprecherinnen Carina Drews und Yasemin Pakirci - halfen ihm mit den Ämtern, führten Murads schwere Krankheit und die Selbstmordversuche der Schwester an, um eine Zusammenführung zu erreichen. "Wir haben Dokumente geschickt, ein Anwalt hat uns unterstützt", sagen die jungen Frauen.

Dann fiel die Entscheidung: Suad, Kula, Emod und Fuad Wesse durften nach Deutschland ausreisen - aber nur, wenn Murad innerhalb von 24 Stunden Geld für die Tickets vorweisen konnte. Eine fast unlösbare Aufgabe für einen Berufsschüler. Allerdings nicht für einen Berufsschüler mit hilfsbereiten Freunden: "Wir haben uns entschlossen, Murad und seiner Familie zu helfen. Innerhalb von 23 Stunden hatten wir das Geld gesammelt", sagt Carina Drews. Murad ist überglücklich über diese Unterstützung. Er freut sich, bald seine Familie wiederzusehen: "Sonst wäre auch ich wieder zurückgegangen", sagt er.

In wenigen Tagen ist das Warten vorbei.

(busch)
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