Stadt Willich Der Traum vom Leben ohne Verfolgung

Stadt Willich · Der Flüchtling Ismail Fazliov setzt sich für seine Mitmenschen und andere Flüchtlinge ein. Der 34-Jährige gibt unter anderem Deutschunterricht in der Begegnungsstätte Anrath.

 Ismail Fazliov hilft in der Begegnungsstätte Anrath, wo er kann. Bei den Senioren ist er wegen seiner freundlichen und ruhigen Art sehr beliebt.

Ismail Fazliov hilft in der Begegnungsstätte Anrath, wo er kann. Bei den Senioren ist er wegen seiner freundlichen und ruhigen Art sehr beliebt.

Foto: Wolfgang Kaiser

"Ich möchte selber helfen, das ist mir wichtig", sagt Ismail Fazliov. Es sind aber nicht nur Worte, die der aus Mazedonien stammende 34-Jährige macht. Er füllt diese Worte mit Taten. Der Flüchtling bringt sich in den Deutschunterricht für andere Flüchtlinge ein, er ist jeden Tag in der Anrather Begegnungsstätte anzutreffen, wo er für die Bürger in den ehrenamtlichen Einsatz geht, er organisiert Sport für Flüchtlinge, und sein allerneuestes Projekt ist der Besuch eines Erste-Hilfe-Kurses.

"Wir bieten all unseren ehrenamtlichen Helfern die Möglichkeit, einen solchen Kurs zu besuchen. Ismail war sofort dabei, als ich ihm davon erzählte", berichtet Eva Abels, Leiterin der Begegnungsstätte Anrath, deren Träger der DRK Kreisverband Viersen ist. Überhaupt springe er überall ein, wo Not am Mann sei, lobt Abels.

Angefangen hat alles über den Deutschunterricht. Fazliov, der selbst sieben Sprachen beherrscht, lebt seit Ende des vergangenen Jahres in Anrath. Seine Frau startete in Anrath sofort mit dem Angebot eines Deutschkurses für Flüchtlinge in der Begegnungsstätte. Dadurch erfuhr Fazliov von dem Problem, dass Ehrenamtler fehlten, um noch mehr Deutschunterricht geben zu können. "Ich spreche Deutsch, und für mich war es sofort klar, mich einzubringen", erinnert er sich. Dank seiner Unterstützung als Lehrer konnte das Angebot entsprechend ausgeweitet werden. Schnell stellte er zudem fest, dass es in der Begegnungsstätte immer Arbeit gibt.

Da der 34-Jährige niemand ist, der tatenlos bleiben kann, wenn er Arbeit sieht, half er mit. "Ich habe mich auch in Paderborn, wo ich mit meiner Familie am 1. Juli vergangenen Jahres ankam, direkt eingebracht", berichtet Fazliov. Dort half er für vier Monate bei den Johannitern mit, dann stand der Umzug nach Anrath an. Fazliov ist Willich dabei in keiner Weise fremd. Als der Jugoslawien-Krieg die Menschen dort bedrohte, flüchteten seine Eltern mit ihm und seinen Geschwistern nach Deutschland. "Ich war damals sechs Jahre alt, und wir haben in Schiefbahn gelebt", berichtet Fazliov. Er weiß daher genau, wie es ist, wenn man kein Wort Deutsch spricht und auf einmal in einem völlig fremden Land lebt.

Als Sechsjähriger besuchte er in Schiefbahn eine Grundschule und später die Johannesschule in Anrath. Doch dann kam ein Erlebnis, das ihn heute noch prägt und ihm in seiner aktuellen Situation einfach nur Angst macht. Als er 14 Jahre alt war, wurde sein Vater abgeschoben. "Ich weiß noch genau, wie es war, aus der Wohnung geholt und in ein Flugzeug gesetzt zu werden", sagt er mit leiser Stimme. Es ging in seine ehemalige Heimat zurück. Dort lebte Fazliov weiter, heiratete und gründete eine Familie.

Als Roma hatte er es in Mazedonien nie einfach. Die Lage eskalierte, als er für eine Partei arbeitete - ohne selbst politisch aktiv zu sein, sondern nur als Mitarbeiter, erfuhr er auf einmal Verfolgung. Im Jahr 2011 kehrte Fazliov mit seiner eigenen Familie nach Deutschland zurück. Er lebte sieben Monate lang in Anrath, bevor er wieder nach Mazedonien ging. "Meine Mutter war schwer krank, und ich musste einfach heimkehren", berichtet der 34-Jährige. Er zog zwar in eine andere Stadt, doch die Ruhe war dort nicht von langer Dauer. "Ich möchte meinen Kindern ermöglichen, ohne Angst vor Verfolgung aufzuwachsen, daher sind wir im vergangenen Jahr wieder nach Deutschland gekommen", sagt Fazliov.

Seine Frau, die ebenfalls schon etwas Deutsch kann, lernt fleißig weiter. Sein elfjähriger Sohn besucht die vierte Grundschulklasse, der Fünfjährige geht in den Kindergarten, und nur die zweijährige Tochter ist daheim. Fazliov hofft nun von ganzem Herzen, dass sein Asylantrag positiv beschieden wird, auch wenn er aus einem der sogenannten sicheren Drittländer kommt. Für ihn sei es dort als Roma aber nicht sicher. "Ich würde hier gerne eine Ausbildung zum Altenpfleger machen, denn in der Begegnungsstätte habe ich gemerkt, dass mir die Arbeit mit den Senioren liegt", sagt er. Etwas, was Eva Abels nur bestätigen kann. Für den Umgang mit Senioren habe er ein Händchen. Alle mögen ihn und seine ruhige Art, fügt die Begegnungsstättenleiterin an. Fazliovs Bruder, der auch nach Deutschland zurückkehrte, hatte übrigens schon Glück: Er darf bleiben und macht eine Ausbildung zum Elektriker.

(tref)
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