Stadt Willich Das Fremde im Vertrauten entdecken

Stadt Willich · In St. Mariä Empfängnis gestalteten Friederike Braun und Stephanie Graßhoff Musik und Texte im feinsinnigen Dialog.

 Nach der Grippe-Absage von Flötistin Esther Adrian bestritt Friederike Braun den musikalischen Part alleine.

Nach der Grippe-Absage von Flötistin Esther Adrian bestritt Friederike Braun den musikalischen Part alleine.

Foto: ST. KATHARINA

Die Grippewelle legt zurzeit viele Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens lahm, doch es ist ihr nicht gelungen, das Konzert in St. Mariae Empfängnis zu verhindern. Zu danken ist dies dem beherzten Einsatz von Friederike Braun und Stephanie Graßhoff. Als absehbar war, dass Flötistin Esther Adrian krankheitsbedingt als Brauns Duopartnerin ausfallen würde, stellten Kirchenmusikerin und Gemeindereferentin innerhalb von nur zwei Tagen ein neues Programm zusammen. Das gelang der kurzen Vorbereitungszeit zum Trotz stimmig und einfühlsam. Die Mischung von heiteren und stilleren Momenten war der Fastenzeit angemessen und barg doch schon hoffnungsvolle Verweise auf österliches und frühlingshaftes Erwachsen. Braun servierte auf dem Cembalo Werke von Bach, Sweelinck und Froberger. Graßhoff ergänzte um Texte aus verschiedenen Jahrhunderten. So schlug sie den Bogen von der Lebenswelt der Komponisten hin zur heutigen Zeit.

Friederike Braun eröffnete den musikalischen Part mit Bachs Concerto c-Moll. Behutsam und sanft setzte sie im klar strukturierten Spiel die langsameren Sätze vom lebhaften Vivace und der virtuosen Durchführung des Prestissimo ab. Während des Konzertes entfaltete Braun zu langsamen Partien intime Momente, technisch souverän und ausdrucksvoll meisterte sie virtuose Passagen. Zu Bachs Concerto G-Dur ließ sie den Abend energiegeladen ausklingen. Beinahe symbolisch mutete da während der Aufführung zur vollen Stunde der Klang der Kirchenglocken an.

"Bitte achten Sie darauf, ob Ihnen diese Musik vertraut oder fremd erscheint", hatte Graßhoff vor Beginn des musikalischen Parts gebeten. Die wiederkehrende Auseinandersetzung mit dem Gegensatzpaar prägte ihre Textauswahl. "Diese Musik klingt heute vertraut", beantwortete sie die erste Frage, um zu betonen, dass zu Bachs Zeit das Hörerlebnis nur wenigen Menschen zugänglich war. Damals wäre es zudem ausgeschlossen gewesen, das Werk eines Protestanten in einer katholischen Kirche zu hören. In einer Reaktion auf Sweelincks Musik berichtete Graßhoff, dass der als Orpheus von Amsterdam gerühmte Organist den Umbruch zum Calvinismus erlebte. Auch sein Werk wäre damals in einer katholischen Kirche nicht aufgeführt worden. Der Komponist Froberger erlebte die Schrecken des 30-jährigen Krieges, und doch schrieb er die heiter anmutende Partita. Er habe seine Zweifel mit Theologen und Wissenschaftlern besprochen und sei überzeugt gewesen, dass Orgel und Cembalo Sinnbilder der Schöpfung gewesen seien, so Graßhoff. Sie stellte die Kriegspoesie eines Matthias Claudius vor und auch den berührenden Text eines zwölfjährigen, afghanischen Mädchens mit Fluchterfahrung.

Das Publikum dankte beiden Ausführenden mit anhaltendem, herzlichem Beifall.

(anw)
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