Stadt Willich Cevikkollu gibt Gästen Denkanstöße

Stadt Willich · Nicht zwangsweise gab es Döner, wenn jemand "beim Türken" war. Am Nikolausabend verteilte der türkischstämmige Kabarettist Fatih Cevikkollu "was fürn Kopf", wie er zu Beginn seines fünften Soloprogramms "Emfatih" selbstironisch sagte. Und tatsächlich: Weit entfernt von derzeit so angesagter "Ethno-Comedy" gab er - unter Einbezug höchstaktueller brisanter Themen - 115 Gästen im Neersener Schloss jede Menge Denkanstöße. Merke: Die Wahrheit tut weh!

Empathie, die Kunst des Mitfühlens also, ist in diesen Tagen bitter notwendig und dennoch selten vorhanden. Cevikkollus (fast) gleichnamiges Solo hinterfragt, legt den Finger in die Wunde: Warum fühlen wir uns den Franzosen nach den Pariser Anschlägen zugehöriger als den Türken nach ähnlichen Vorfällen in Ankara? Ist der Rassismus nur eine Erfindung der Medien?

"Ein hohes Tabu erfordert einen starken Gag" lautet die Richtschnur "von Fatih", der er mühelos nachkommt. Er holt die Menschen da ab, wo sie stehen, hält uns "schweigenden Deutschen" den Spiegel vor: "Wer euch zum Lachen bringen soll, bekommt genug Mitleid." Klischees und Vorurteilen setzt er Toleranz entgegen, also "die Fähigkeit, Unfähigkeit auszuhalten". Wie war das noch - der Moslem, ein Terrorist? Wenn die geistige Sonne niedrig steht, werfen Zwerge lange Schatten.

Lachen, die schönste Form des Kontrollverlustes: Cevikkollu kann auch simpel. Selfie-Sticks nennt er Deppenzepter, Schäuble "die schwarze Null" und Erdogan einen "Bosporussen". Wenn er sich gegen das Kopftuch, aber für die Burka ausspricht, bleibt einem das Lachen im Halse stecken. Ganz klar: Das Wort ist seine Waffe, die humoristische Bandbreite sein Markenzeichen. Wo andere nur Witze erzählen, packt Cevikkollu den entlarvenden Alltags-Rassismus bei den Hörnern und führt ihn uns mit kluger Kante vor.

Er geht aber noch weiter und bittet zur interkulturellen Lehrstunde. 65 deutsche Worte gibt es in der türkischen Sprache, ins Deutsche haben es 185 türkische Worte geschafft. Da erscheinen "Schiebedach" und "Hurra" in ganz neuem Licht. Frei nach Oscar Wilde verhandelt er die Wahrheit mit einem Lächeln, um diesen Kampf nicht mit dem Leben zu bezahlen.

Am Ende des Nikolausabends dann gibt's noch immer keinen Döner, dafür aber eine festtagstaugliche frohe Botschaft: "Mehr als ein Lächeln auf den Lippen und Freude im Herzen geht nicht." Wie wahr.

(tone)
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