Kempen Aufgaben auf mehrere Schultern verteilen

Kempen · In ihrem neuen Buch "Die Sandwich-Generation" geht es um Frauen, die zwischen Beruf, Kindern und Eltern aufgerieben werden. Dorothee Döring aus Tönisberg ist eine gefragte Dozentin in der Erwachsenenbildung.

 Seit über acht Jahren lebt Dorothee Döring mit ihrem Mann in Tönisberg. Mit dem neuen Buch "Die Sandwich-Generation" legte sie bereits ihr 29. Buch vor.

Seit über acht Jahren lebt Dorothee Döring mit ihrem Mann in Tönisberg. Mit dem neuen Buch "Die Sandwich-Generation" legte sie bereits ihr 29. Buch vor.

Foto: WOLFGANG KAISER

Auf dem Cover des Buches wird drastisch gezeigt, worum es darin geht. Eine junge Frau im gehetzten Laufschritt hat ihre Tochter unter dem einen Arm, mit dem anderen hält sie den letzten Zipfel vom T-Shirts des Sohnes, Handtasche, Haarbürste und Laptop fliegen ihr wie Monde hinterher. Und als ob das nicht schon genügen würde, läuft von hinten ein netter alter Herr mit Strohhut ins Bild.

Aufgerieben zwischen Job, Kindern und Eltern - das ist die Sandwich-Generation von heute. Neu ist das Problem nicht, schon immer haben sich vor allem die Frauen den Herausforderungen durch mehrere Generationen stellen müssen. Neu ist aber, so erläutert Dorothee Döring, dass die Generationen nicht mehr wie früher unter einem Dach leben. Neu ist, dass immer mehr Frauen voll berufstätig sind, neu ist, dass es immer weniger Geschwister gibt, die sich um die immer älter werdenden Eltern mitkümmern können.

Döring hat die Babyboomer im Blick, die Generation, die heute zwischen 40 und 60 Jahre alt ist. Viele davon sind Einzelkinder, die weit weg von ihrem Elternhaus ihren Lebensmittelpunkt haben. Frauen müssten heute ihre eigene Altersvorsorge erwirtschaften. Und je weniger Kinder man habe, desto mehr investiere man in sie - Liebe, Zeit und Geld. Viele Frauen - die Probleme haben auch Männer, die Hauptlast treffe aber nach Meinung der Autorin immer noch die Frauen - reiben sich an diesen Aufgaben auf, verzichten auf Urlaub, vergessen ihre eigenen Lebensziele und landen oftmals im Burnout.

In ihrem Buch weist Dorothee Döring Auswege aus dieser Falle auf: Hilfe von außen und die Arbeit delegieren. Wer in dieser Situation stecke, müsse nicht alles alleine machen, sondern müsse einzelne Jobs auf mehrere Schultern verteilen. Da müssen Kinder und Männer mitspielen. Und wenn die alte Elterngeneration auf die Fortsetzung des Generationenvertrages pocht, kann sie die Generation der Kinder nicht völlig absorbieren. Nie leicht zu meistern ist der Pflegefall in der Familie.

An Demenz stirbt man nicht. An Demenz erkrankte Elternteile bedeuten acht bis 15 Jahre Pflege, viel Zeit, die für die eigenen Lebensziele fehlen. Hier eine gesunde Balance zu finden, bedeutet für Döring auch, einen gesunden Egoismus aufseiten der Sandwich-Generation zu entwickeln. Sehr interessant sind im Buch die Passagen, in denen die Autorin auf widerstreitende Gefühle, auf Schuldgefühle und Selbstvorwürfe, aber auch auf die finanziellen Belastungen in einem "Leben am Limit" eingeht.

Ihr Wissen und viele Fallbeispiele schöpft die Buchautorin aus den unzähligen Seminaren, die sie bundesweit in Einrichtungen der Erwachsenenbildung gibt. Als Lebens- und Konfliktberaterin weiß sie, wie die Menschen heute ticken, welche Probleme sie haben und wie sie damit umgehen - oder sie verdrängen. Das Schreiben und Beraten ist ihr zweites Leben. Früher hat sie 25 Jahre lang im Schuldienst gearbeitet, sie war Kunstlehrerin an einem Gymnasium in Bottrop - bis sie weger einer Erkrankung mit 49 Jahren frühpensioniert wurde. Den Kontakt mit Kindern und Kollegen gewohnt, vermisste sie Menschen.

So kümmerte sie sich erst um eine Nachbarin, die mit 35 Jahren an Krebs erkrankte. Sie entdeckte die Sterbebegleitung für sich, erkannte, wie wichtig es ist, als "anonyme Klagemauer" Sterbenden in der letzten Lebensphase zur Seiten zu stehen. Sie ließ sich in der Hospizbewegung ausbilden, begleitete aber auch immer mehr die Angehörigen in ihrer Trauer um die Verstorbenen. Sie erkannte mit Schrecken, wie viele unbewältigte Konflikte am Ende des Lebens übrigbleiben. So ließ sie sich zur Konfliktberaterin ausbilden.

Und ganz "nebenbei" entstehen ihre Bücher, in denen sie auch für sich selbst ihre Themen durchdekliniert. Die Sandwich-Generation ist ihr 29. Buch, und das 30. steht bereits im Rohmanuskript. Der Titel wird wohl "Der unsichtbare Schmerz. Lebenswunden erkennen und heilen" sein. Als zweites Buch in diesem Jahr wir dann noch "Die Eltern in mir - In Harmonie mit dem Elternschatten leben" erscheinen, wieder im Schweizer Paulus-Verlag.

(RP)
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