Wesel Zwei Leichen in der liebenswerten Aa – charmant

Wesel · Elfenhaft grazil, mit einem sympathischen Lächeln, sitzt sie im Sessel auf der Bühne, umgeben von warmem Kerzenlicht, und liest aus ihrem Krimi „Zwei Leichen zuviel“. Bettina Oehmen, Autorin aus Bocholt, der man ihre 48 Jahre nicht ansieht, war Samstag zum zweiten Mal zu Gast in der Musikschule. Die studierte Musikerin stellte verschiedenste Talente unter Beweis. Seit zehn Jahren schreibt sie Krimis mit Lokalkolorit, komponiert Song-Arrangements, spielt Gitarre, singt. Verschiedene thematisch passende musikalische Intermezzi in aparter Triobesetzung (Gitarre, Cello, Trompete) gaben dem Programm eine geschmackvolle Note.

Zum Krimi gehört die Leiche. Doch für diese hier ist mit dem Tod noch längst nicht alles gelaufen; sie „erlebt“ noch so einiges mit den verschiedensten Typen – Randfiguren der Gesellschaft, die etwas anders ticken: der behinderte Matti, der die Leiche waschen will, sie aber aus Versehen in die nachtschwarze Aa rutschen lässt und gleich mit ertrinkt. Der „vollgetankte“ Hollandradler Jens, der makabre Wiederbelebungsversuche zwischen Bach, Bank, Baum und Brennnesseln startet. Der schwarze Asylant Mathenge, Saubermann der Stadt, der sie in Panik beim Wildschweingatter am Stadtrand vergräbt, während die zweite „ertrunkene“ Leiche langsam die Aa hinunter bis zur tüddeligen Lisbeth schwimmt, die gerade Enten füttert.

Was diesen Menschen im Kopf herumgeht, ist – sozialkritische Seitenhiebe inklusive – sehr farbig gezeichnet. Aus subjektivem Blickwinkel ergibt sich enormer Detailreichtum. Dabei nutzt die Autorin spitzbübisch mitunter alltägliche Situationskomik. Nebenher gibt es die „Normalos“: den genervten Musikstudenten, den spießbürgerlichen Macho oder auch Kommissar Kollo, verpennt und unrasiert mal ganz privat – was im Krimi immer gut kommt. Selten wurde überdies dem liebenswerten Flüsschen Aa so viel lyrisches Flair abgewonnen. Die Liebe zur Natur, ein psychologisch geschulter Blick, die niveauvolle Sprache und ihre charmante Art zu lesen nahmen voll für die Autorin ein.

Ein paar mehr Zuhörer hätten’s sein dürfen; doch die, die da waren, waren restlos hingerissen. Dazu sang Oehmen mit Gitarrenbegleitung fünf Lieder, darunter ein besonders schönes über die Liebe mit katzenweichem Summen oder unbeschwertem Scat-Gesang, in beispielhafter Harmonie begleitet vom warmen Cello (Christoph Oehmen) und der samtig sanften Trompete ( Johannes Oehmen, 17).

„Zwei Leichen zuviel“ ist erschienen beim Phoebe Verlag, ISBN 3-9808669-0-4; Preis 7,50 Euro

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort