"Wir sind ein Teil des Niederrheins"

Wesel · Die Kiesindustrie am Niederrhein: Im Interview sprechen Michael Hüging-Holemans von der Holemans GmbH aus Rees und Öffentlichkeitsmitarbeiterin Claudia Kressin über neue Abgrabungen und das Streitthema Starkregen.

"Wir sind ein Teil des Niederrheins"
Foto: Scholten

Das Unternehmen Holemans plant eine große Kies-Abgrabung im Osten Bislichs. Naturschutzverbände haben die Planung kritisiert. Derzeit behandelt der Kreis die Einwendungen gegen das Projekt. 88 Einwendungen sind eingegangen. Im Interview mit RP-Redakteur Sebastian Peters nehmen Holemans-Chef Michael Hüging-Holemans und Claudia Kressin, Öffentlichkeitsmitarbeiterin des Unternehmens, Stellung zur aktuellen Abgrabung Histenbruch in Bislich und zum Vorwurf, die Kiesindustrie sorge für überflutete Keller.

Herr Hüging-Holemans, Frau Kressin, die Kiesindustrie ist mal wieder im Visier der scharfen Kritiker: Starkregenereignisse, neue Abgrabungen. Was sind derzeit die größten Baustellen Ihres Unternehmens?

Hüging-Holemans Eine ist die, wegen der Sie auch hier sind. Die geplante Abgrabung Histenbruch in Bislich ist für unser Unternehmen von großer Wichtigkeit. Es steht die Frage im Raum, ob wir unser Geschäft in zehn bis 15 Jahren am Niederrhein noch werden betreiben können. Wir müssen den Bestand der Produktion halten, der Markt fragt diese Mengen an. Aber hier am Niederrhein gibt es zurzeit nur noch begrenzt Flächen, auf die wir Zugriff haben. Zwei Faktoren kommen zusammen: Die Genehmigungsbehörde muss die Erlaubnis erteilen, auf einer bestimmten Fläche Kies abzubauen. Andererseits müssen uns dann die Flächen auch zur Verfügung stehen, es müssen also die Eigentümer bereit sein, an uns zu verkaufen.

Ist das nicht am Ende eine Frage des Marktes: Ihr finanzielles Angebot an den Landwirt regelt doch am Ende, ob der zu verkaufen bereit ist.

Hüging-Holemans Nur begrenzt. Es gibt Landwirte, die wollen einfach derzeit nicht verkaufen, weil sie nicht wissen, ob ihre Kinder eventuell weiter Landwirtschaft betreiben wollen. Die behalten die Felder dann lieber. Zudem wird in Zeiten des Niedrigzinses Landbesitz auch als Wertanlage attraktiv. So mancher kauft sich lieber ein Stück Wald oder Acker, anstatt das Geld bei Strafzins auf der Bank liegenzulassen. Wir müssen im Kiesgeschäft längere Zeiträume im Auge haben. Deshalb betreiben wir aktives Flächenmanagement.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass Sie im Falle von Histenbruch erfolgreich sein werden?

Hüging-Holemans Das Projekt ist im Vorfeld in einem breiten Konsens unterschiedlicher Interessenvertreter entwickelt worden. Am Ende muss der Kreis Wesel entscheiden, ob er zustimmt.

Wie viel Prozent der Abgrabungen nehmen Sie im Kreis Wesel vor, wie viel im Kreis Kleve?

Hüging-Holemans Historisch hatten wir unsere erste Abgrabung bei Emmerich. Mittlerweile ist es so, dass 60 Prozent unserer Produktion in Wesel erfolgt, 40 Prozent in Rees. Wir haben in den letzten Jahren aus strategischen Erwägungen auch andere Standorte neu aufgebaut: eine Fläche in der Kölner Bucht, eine Fläche im Osnabrücker Land - dort gibt es eine Fläche, die wir für 40 Jahre gesichert haben. Und auch linksrheinisch sind wir mittlerweile aktiv. Das Kerngeschäft soll aber der Niederrhein bleiben: Im Kreis Wesel sehen wir die größten Potenziale. Hier begegnet die Politik unseren Ideen auch mit großer Offenheit.

Wie kommt es, dass Sie hier auf mehr politisches Interesse stoßen?

Hüging-Holemans Vielleicht ist in Wesel das Bewusstsein dafür größer, dass die Kiesindustrie auch Arbeitsplätze schafft. Außerdem werden hier auch die touristischen Potenziale erkannt - und wir sorgen stets für ökologischen Ausgleich. Dort, wo früher Ackerflächen mit Monokultur waren, schaffen wir heute Baggerseen mit einer größeren Artenvielfalt. Unsere Baggerseen sind echte Hot-Spots der Artenvielfalt. Wir schaffen hier am Ende ökologisch viel mehr als das, was wir vorgefunden haben. Aber bestimmte Arten gehen natürlich auch verloren.

Der Niederrhein gleiche mittlerweile der Mecklenburgischen Seenplatte, wird argumentiert. Was entgegnen Sie diesen Kritikern? Der schwimmende Feldhase muss noch erfunden werden.

Hüging-Holemans Ich habe schon einen gesehen. Im Ernst: Überlegen Sie, wie viele neue Arten Sie am Niederrhein mittlerweile sehen. Es gibt natürlich Kritiker, die erreichen wir auch mit den besten Argumenten nicht. KRESSIN Wir verändern die Landschaft in großem Maße. Da nimmt man nicht alle Menschen mit. Es gibt ältere Menschen, die definieren als Heimat das flache Land mit vielen Feldern. Wenn da nun ein See ist, wo früher ein Feld neben dem Dorf war, dann können sie diese Veränderung nur schwer nachvollziehen. Viele junge Menschen aber, das zeigen wissenschaftliche Studien wie die Forsa-Umfrage, begegnen der Kiesindustrie offener. Für diese sind Kiesseen ein Teil ihrer Heimat.

Wird denn schon genug getan, um die touristischen Potenziale hier zu heben?

Hüging-Holemans In Wesel ist man dahingehend auf einem guten Weg. Auch in Bislich sollen die Seen ja touristisch erschlossen werden. Das kann am Ende ein attraktives Gesamtpaket werden. Es gibt massenhaft Potenziale. In den Fünfzigern und Sechzigern hat man noch anders gedacht: Damals hieß es, dass man um den Baggersee eine Weißdornhecke ziehen und den See allenfalls für Angler freigeben solle. Möglichst klein sollten die Baggerseen auch sein. Heute denkt man über größere Seenverbünde nach, Segelboote könnten hier fahren. Was die Stadt Rees betrifft: Hier zieht die Politik bei weitem nicht so mit wie in Wesel. KRESSIN Im Rahmen unserer Rekultivierungen haben wir aus eigener Initiative auch in Rees schon Dinge entwickelt. Es gibt Wege um die Seen und Aussichtsplattformen. Außerdem haben wir auch hier Teile begrünt und die Landschaft attraktiver gemacht.

Im vergangenen Jahr waren nach den Starkregenereignissen viele Keller von Rheinanliegern überflutet. Die Kiesindustrie habe daran einen Anteil, sagen die Kritiker.

Hüging-Holemans Die Zusammenhänge sind komplizierter als das unsere Kritiker wahrhaben wollen. Ich möchte auch die Deichverbände in diesem Zusammenhang in Schutz nehmen. Da wird im Ehrenamt gute Arbeit geleistet, das wird mir zu wenig gewürdigt. Wenn zum Beispiel behauptet wird, dass unsere Seen für hohe Wasserstände an der Issel sorgen, ist das Quatsch. Unser Entwässerungssystem hier hängt aufgrund der dazwischen liegenden Wasserscheide mit dem an der Issel überhaupt nicht zusammen. Es ist schlicht so, dass die Grabensysteme am Niederrhein, zum Beispiel in Haffen, für derartige Starkregenereignisse nicht ausgelegt sind. An bestimmten Stellen gibt es nur 800er-Rohre, zudem waren im Mai die Gräben stark bewachsen. Der Deichverband konnte den Beschnitt aus ökologischen Gründen noch nicht bewerkstelligen. Da kann das Wasser schon rein physikalisch nicht schnell genug ablaufen. Daraus kann man uns keinen Vorwurf machen. Wenn es regnet wie im vergangenen Jahr, dann steht das Wasser auf den Flächen. Unsere Seen bieten da eher die Chance, Wasser aufzunehmen. Diese Funktion haben die Seen auch im vergangenen Jahr übernommen.

Sie als Chef des Unternehmens tragen auch Sorge für ein Team von Mitarbeitern. Wie groß ist Ihr Team und wie bewerten Sie den Wirtschaftsfaktor Holemans?

Hüging-Holemans Bei uns arbeiten 150 Mitarbeiter, wir haben hier in Rees eine schlanke Verwaltung, die Arbeit wird draußen gemacht. Und zusätzlich zu unseren Arbeitsplätzen muss man an die Unternehmen denken, denen wir unsere Produkte zuliefern. Ein Werk wie Bögl in Hamminkeln, Marktführer für Tunnelelemente, benötigt die von uns produzierten Kiese und Sande. Dann gibt es Zulieferer, es gibt Firmen, die für uns technische Arbeiten vornehmen. Und wir investieren stark in unsere Anlagen. KRESSIN Unsere Mitarbeiter kaufen hier ein, sind im Ortsleben aktiv. Wir sind ein Teil des Niederrheins.

(RP)
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