Niederrhein Wie ein Märchen: Als der Rhein zufror

Niederrhein · Wer kann sich in Deutschland heute noch Temperaturen von minus 32 Grad Celsius vorstellen?

Vor 50 Jahren: Der Rhein ist zugefroren
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Vor 50 Jahren: Der Rhein ist zugefroren

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Foto: Fritz Getlinger / technisch bearbeitet von RP-Fotograf Gottfried Evers

Angesichts der frühlingshaften Temperaturen jetzt zum Winteranfang kann man sich kaum vorstellen, dass es friert oder sogar schneit. Zwar gab es noch 2010/11 einen harten Winter mit Schnee und Eis und sogar das Salz wurde knapp, aber so eisige Kälte, dass sogar der Rhein zufriert, die gab es zuletzt 1963.

"Das war ein extrem strenger Winter, in dem es sehr lange kalt war", erinnert sich Herbert Kleipaß, der das als Zwölfjähriger erlebte. Schifffahrt sei auf dem Strom in dem Winter lange nicht möglich gewesen.

Im Laufe der Geschichte Emmerichs war "Eisstand" - eine feste, geschlossene Eisdecke auf dem Rhein - immer ein Thema. Aus dem Jahre 1499 berichtete ein Schüler: "Wir haben auf dem Eise ein Fest gefeiert, Zelte aufgeschlagen, Fässer mitten auf dem Strome gezimmert und die Jugend hat Ball gespielt. In den Zelten wurde getanzt und getrunken." 1504 wurde eine Rheinmühle bei Emmerich durch "Eisgang", das sind treibende Schollen, vernichtet. Im Dezember 1564 fror der Rhein wieder zu, so dass man zu Weihnachten Eisfeste feiern konnte. Das Eis blieb damals bis März 1565.

Der Rhein ist im Jahr 1917 zugefroren. Im Hintergrund ist gut zu erkennen, wie damals die Emmericher Rheinpromenade aussah.

Der Rhein ist im Jahr 1917 zugefroren. Im Hintergrund ist gut zu erkennen, wie damals die Emmericher Rheinpromenade aussah.

Foto: Stadtarchiv Emmerich

Auch im 20. Jahrhundert fror der Rhein in einigen Wintern zu. Im Kriegswinter 1917 führte der Fluss ab dem 25. Januar Treibeis, dem sich vom 9. bis zum 20. Februar an zwölf Tagen der "Eisstand" anschloss. Der Rhein konnte überschritten werden. Zwölf Jahre später, im Jahre 1929, war es wieder soweit. Am 2. Januar stand der Emmericher Pegel bei 6,98 Meter. Vom 2. bis zum 14. Februar schwamm Treibeis auf dem Rhein, vom 15. bis zum 28. Februar hatte der Fluss 14 Tage lang eine geschlossene Eisdecke. "Der Rhein kam zum Stehen und die Schollen türmten sich zu phantasievollen Formen auf. Von fernher kamen Schaulustige, um den Strom in Fesseln zu sehen und das seltene Vergnügen zu haben, ihn auf der Eisbrücke überschreiten zu können", stand damals in einem Bericht von Ferdinand Goebel. Willy Huybers schrieb in der Zeitung über "eine eiskalte Fastnacht, die der Winter des Jahres 1929 den Narren am Rhein bescherte". Bis zum Karnevalssonntag sei der Frost noch erträglich gewesen. "Als aber am Rosenmontag das Thermometer immer tiefer fiel, erstarrte auch der Karneval. Nur in den Gaststätten und Sälen konnte man ´Fasteloovend' feiern." Nach den Karnevalstagen sei dann der Rhein zugefroren. Zunächst habe es Tausende von Eisschollen gegeben, die eine große Gefahr für die Schiffe darstellten, dann staute sich der Rhein und setzte sich zu. "Krachend schob der Rhein die Eisschollen in- und übereinander", berichtete Huybers. Erst unter der Einwirkung der Märzsonne war der Rhein wieder eisfrei.

1929 stehen diese Menschen auf dem zugefrorenen Fluss an der Promenade. Besonders dicke Kleidung gegen die Kälte tragen sie nicht.

1929 stehen diese Menschen auf dem zugefrorenen Fluss an der Promenade. Besonders dicke Kleidung gegen die Kälte tragen sie nicht.

Foto: ""

Im Februar 1954 hieß es nur kurz: "Der Rhein steht" und zwar am Wochenende 6./7. Februar. Von der Klever Straßenbahn wurden Sonderzüge eingesetzt, die im 30-Minuten-Takt Schaulustige an den Rhein brachten. Aus einem Übergang zu Fuß wurde dann aber nichts. Weil die Schollen nicht ganz dicht schlossen, wurde dieser aus Sicherheitsgründen verboten. Zwei Tage später setzte das Tauwetter ein.

Duisburg: Harte Winter im 19. und 20. Jahrhundert
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Foto: Stadtarchiv Duisburg
Als der Rhein in Düsseldorf zufror
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Foto: Stadtarchiv Düsseldorf

1963 gab es am 18. Januar mit minus 32 Grad einen Kälterekord, am 23. Januar war der Rhein komplett zugefroren. Die Schiffer mussten ihre im Hafen liegenden Schiffe täglich mit Äxten und Sägen vom Eis befreien, damit diese nicht zerdrückt wurden. Obwohl der Spaziergang auf dem zugefrorenen Rhein verboten war, wagte sich der eine oder andere trotzdem aufs Eis. Das wurde Gerhard Naß aus Warbeyen zum Verhängnis, der Landwirt schaffte es nicht, aus eigener Kraft die vereiste Uferböschung zu erklimmen. Er hatte Glück im Unglück. Die Wasserschutzpolizei rettete ihn. Mit Hilfe eines Seils wurde er an Land gezogen. Seit damals, also seit mehr als 50 Jahre, war der Rhein nicht mehr zugefroren.

(RP)
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