Mein Projekt 2018 Weseler eröffnet Brauerei in Frankfurt

Wesel/Frankfurt · Dominik Pietsch stammt aus Lackhausen. Der Fotograf war erst Hobbybrauer - dann reifte in ihm der Entschluss, eine eigene Brauerei zu eröffnen. Mit Beginn des neuen Jahres produziert er sein Flügge. Nicht die einzige Turbulenz des Jahres.

 Dominik Pietsch (l.) mit seinem Geschäftspartner Joachim Amrhein. Am 1. Januar startet offiziell ihre neue Brauerei Flügge in Frankfurt. Gebürtig kommt Pietsch aus Lackhausen.

Dominik Pietsch (l.) mit seinem Geschäftspartner Joachim Amrhein. Am 1. Januar startet offiziell ihre neue Brauerei Flügge in Frankfurt. Gebürtig kommt Pietsch aus Lackhausen.

Foto: Pietsch

Es gibt ein Wort, das Dominik Pietsch (37) gerne für das verwendet, was er nicht machen will: "Ich will kein Fernsehbier produzieren", sagt der gebürtige Weseler. Und umschreibt damit, dass er ein eigenständiges Getränk erzeugen will, das nicht die klassische Erwartung an ein Bier erfüllt. Überraschend soll sein Bier schmecken. "Wir wollen die Biere machen, an die sich viele Brauer nicht herantrauen", sagt er.

Über Lackhausen und das Ruhrgebiet kam Pietsch nach Köln und Frankfurt, arbeitete als freier Fotograf für Magazine. Immer wieder Prominente vor der Linse, spannende Zeiten, aber auch viel Hektik. Das Bierbrauen ist da der größte Kontrast: Da ist eine Materie, die viel Zeit benötigt, um reif zu werden. Am 1. Januar startet offiziell seine Frankfurter Brauerei Flügge.

Zwei Inspirationen waren es, die den Entschluss im Weseler reifen ließen, zum Bierbrauer zu werden: 2015 machte er Urlaub in Schweden und trank zum ersten Mal Craft Beer. "Da habe ich gemerkt, dass es so viele abgefahrene Biere mit spannendem Geschmack gibt." Dass der Urlaub verregnet war, begünstigte den Bierkonsum: "Ich musste mir den Urlaub Schöntrinken."

 So sieht es derzeit noch in der Brauerei aus.

So sieht es derzeit noch in der Brauerei aus.

Foto: Pietsch

Kurze Zeit später war Pietsch dann auf einem Junggesellenabschied eingeladen, bei dem Junggeselle und Gesellschaft einen Bierbraukursus besuchten. "Da war es um mich geschehen", sagt Dominik Pietsch. "Total fasziniert" habe ihn der entschleunigte Prozess des Brauens. "Bier dauert, man bekommt das Tempo vorgegeben, und am Ende steht ein Produkt, das alle mögen." Erste eigene Brau-Versuche machte er dann in der heimischen Küche in Frankfurt, wo er seit einiger Zeit mit seiner Freundin Tanja Reimann wohnt. Sie stammt aus Mehrhoog.

Von Mutter Reimann lieh sich Dominik Pietsch einen Weck-Einkocher. Er bestellte sich Zutaten im Internet und begann zu experimentieren. "Das erste Bier war, nun ja, interessant. Das zweite Bier war schon trinkbar. Das dritte war dann gut." Pietsch mag am Brauprozess auch, dass er eine Fülle von Zutaten einsetzen kann, mit verschiedenen Hefen und Malzen experimentieren.

"Wir arbeiten mit wilden Hefen, das ist in Deutschland bei den klassischen Brauern noch verpönt, aber man erzielt ganz tolle Ergebnisse." Als "Ungeziefer" würde mancher Brauer die wilden Hefen sehen. Pietsch schätzt ihre Eigenschaften. "Ein Gefühl dafür zu bekommen, wie man kombinieren muss, braucht viel Zeit und Geduld." Jede Rezeptur schrieb er sich auf, weil man ja nie weiß, ob das Bier gelingt oder nicht.

 Etikett der Flasche

Etikett der Flasche

Foto: Pietsch

Und weil es immer besser wurde, hatte Pietsch irgendwann den Wunsch, selbst Brauer zu werden. "Größenwahnsinnig" sei das irgendwie, räumt er ein.

Über Kontakte fand er zwei Geschäftspartner, gemeinsam haben sie die Brauerei Flügge gegründet. "Die Aufteilung passt. Es gibt zwei Zahlenmenschen, ich lege all mein Herzblut ins Bierbrauen." Auf den Namen Flügge kam der Kreativmann Pietsch über seine Liebe zum Federvieh. "Mein erstes Bier war so dunkel, dass ich es Rabe genannt habe, und jetzt werden wir flügge mit Bieren."

Vier Biere wird er in seiner neuen Brauerei im Frankfurter Stadtteil Niederrath brauen und im Hausverkauf an den Mann bringen. Ein Indian Pale Ale, ein Roggenbier, ein Maracuja-Bier und ein hopfenreiches Stout. Die Etiketten hat eine Freundin gestaltet, mit den Vögeln drauf. Die Vorbereitungen liefen in den vergangenen Wochen in der neuen Brauerei an der Niddastraße in Frankfurt.

Eine größere Brau-Anlage soll Anfang Januar aus Slowenien geliefert werden. Sechs Hektoliter (600 Liter) kann die Anlage in einem Braugang produzieren. Ein- bis zweimal pro Woche soll gebraut werden. Im Februar soll das erste Bier ausgeschenkt werden. Wuchtige Bierschwenker wurden angeschafft, aber auch aus Weingläsern kann das Bier getrunken werden. Zusätzlich zu Hausverkauf und Direktvertrieb im Internet sollen Gastronomen beliefert werden.

Einige Lokale in Frankfurt hat Pietsch schon gefunden, weitere will er überzeugen. Er will die Brauerei zu seinem neuen Beruf machen. "Ich werde mein altes Fotografenleben hinter mir lassen, das tausche ich gegen ein neues Leben ein. Ich bin gespannt, wie alles wird."

Angst habe er nicht, er verspüre große Zuversicht. "National wird es gut ankommen. Was wir machen, muss man hierzulande sonst aus England oder Amerika importieren." Die Äppelwoi-Stadt Frankfurt als Standort sei ideal, weil sie so international sei. "Dieses Aufeinandertreffen vieler Kulturen soll sich auch im Bier widerspiegeln."

Und noch eine Neuerung wird sich in diesem Jahr ergeben: Pietsch wird erstmals Vater, seine Freundin ist schwanger. Pietsch behält auch hier die Ruhe, das hat er in seinem neuen Beruf gelernt. "Bierbrauen ist schön, Vater werden ist schön, beides zusammen wird eine Herausforderung. Ich kann mich nicht erinnern, mal mit so viel Spannung ein Jahr erwartet zu haben."

(RP)
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