Vom Motorradhelm bis zur Wasserpistole Was das Hochwasser zurücklässt

Wesel · Wenn das Wasser wieder verschwindet, werden an Land skurrile Dinge sichtbar. Unser Autor ist am Freitag am Deich in Wesel-Büderich spazieren gegangen und hat gesammelt. Wie ein kleines Archiv der Zivilisation ist dieser Müllstreifen, den das Hochwasser hinterlässt.

Hochwasserfunde aus Wesel
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Hochwasserfunde aus Wesel

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Foto: Sebastian Peters

Die zwei Herren, die wir nach dem Spaziergang am Deich in Büderich treffen, schauen entgeistert. Mehr noch: Sie erwidern nicht einmal unseren freundlichen Gruß. Wie sie da stehen, als stoische Niederrheiner, sind sie den Schafen gleich, die den Deich bevölkern, wenn dieses Hochwasser nicht da ist. Mag sein, dass die Unfreundlichkeit an den Fundstücken liegt, die wir im Arm tragen. Wer kommt schon mit einem alten Gummischuh, Motorradhelm und einem morschen Gaskocher den Deich herauf?

Eigentlich sollte unser Hochwasser-Spaziergang nur einige Minuten dauern. Nur ein paar Meter den Rhein stromaufwärts laufen, einige Gegenstände einpacken, dann schnell wieder in die Redaktion. Wer aber einmal losgelaufen ist, den packt die Sammellust. Schnell entsteht im Kopf ein Archiv, und nichts anderes ist dieser Müllstreifen ja: Er listet auf, was unsere Gesellschaft verloren, vergessen oder weggeworfen hat. Manches, was angeschwommen kam, hat wohl schon einige Jahre auf dem Buckel. Anderes kann erst vor einem Monat weggeworfen worden sein.

Der Betrachter beginnt nach einigen gesichteten Gegenständen zu kategorisieren: Was entdeckt man besonders häufig? Und warum liegt manches nicht mehr da? So fällt etwa auf, dass jede Menge Schnapsflaschen am Deich liegen, aber keine einzige Pfandflasche mehr. Des Rätsels Lösung: Die Pfandflaschen sind wahrscheinlich alle schon eingesammelt worden, weil sie Geld bringen, im Gegensatz zu den Schnapsflaschen. Schön ist dieser Spaziergang auch, weil man sich zu den Gegenständen eine Geschichte denken kann. Da ist etwa der herzförmige luftlose Luftballon in knallrosa, den wir entdecken. Er wird bei einer Hochzeit in die Luft gestiegen sein. Die Plastikwasserpistole werden Kinder beim Spielen am Ufer vergessen haben.

Noch liegt der Müllstreifen, noch lässt er sich bei einem ausgedehnten Spaziergang erforschen. Die verwachsenen Holzreste, die man dort entdeckt, eignen sich als fantasievolle Dekoration. Wenn man sie aus ihrem Kontext löst, dann wirken sie fast wie Kunst. Sie regen die Fantasie an. Der eine entdeckt im Stück Holz einen Krokodilkopf, der andere meint einen Greifvogel zu entdecken. Für manches aber gibt es keine Erklärung. Warum um alles in der Welt so viele Tennisbälle im Rhein? Wer spielt im Rheinsand Tennis?

Irgendwo zwischen der Quelle des Rheins im Kanton Graubünden in der Schweiz und Wesel muss sich in Ufernähe eine riesige Tennisakademie am Ufer befinden.

(RP)
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