Wesel/Hamminkeln/Schermbeck/Hünxe Wer sind die AfD-Wähler im Kreis Wesel?

Wesel/Hamminkeln/Schermbeck/Hünxe · In Wesel haben 3021 Menschen die AfD gewählt. Wir haben in der Fußgängerzone nach ihnen gesucht, aber keiner wollte sich zu erkennen geben. Die generelle Analyse für den Wahlkreis Wesel I zeigt: Die AfD wird auf dem Dorf und in der Stadt gewählt.

 3021 Menschen haben im Kreis Wesel die AfD gewählt. (Archivbild)

3021 Menschen haben im Kreis Wesel die AfD gewählt. (Archivbild)

Foto: Bernd Wüstneck

62.973 Einwohner hat Wesel nach aktuellem Stand, 3021 von ihnen haben am Sonntag bei der Bundestagswahl ein Zweitstimmen-Kreuzchen bei der AfD gemacht. Seitdem rätseln die großen Volksparteien: Wie kann man diese Wähler zurückholen, was wollen sie, was hat sie an der Politik in der Großen Koalition konkret gestört? Wir haben gestern versucht, in der Weseler Fußgängerzone auf Wähler der AfD zu treffen. Eine Stunde lang waren wir unterwegs, rund 50 Passanten haben wir nach ihrem Wahlverhalten gefragt - und tatsächlich drei AfD-Wähler gefunden. Aber: Fotografiert und somit namentlich erkennbar gemacht werden wollte keiner der Unterstützer der Partei, in der viele Politiker eine neue Gefahr von rechts erkennen wollen.

Am Montagvormittag sind viele Menschen in der Weseler Innenstadt unterwegs. Gehetzte Arbeitnehmer, schlendernde Rentner, Paare mit und ohne Kinderwagen. Einige sind auf die Medien nicht gut zu sprechen, andere geben bereitwillig Auskunft. Auf die Frage, ob sie AfD wählen, antworten viele mit entschiedenem "Nein". Und dann finden wir doch eine Frau, die bekennt, die sogenannte Alternative für Deutschland gewählt zu haben. "Ich bin kein Rassist", beteuert die Frau, die sagt, lange Zeit als Lehrerin gearbeitet zu haben. "Aber es muss etwas geschehen." Die Vergleiche mit dem Aufstieg der NSDAP seien hanebüchen, sagt die Frau weiter. Eine andere Frau äußert Verständnis für die Politik der AfD, auch wenn sie Nichtwählerin sei. Wenn man sich "Stadtteile wie Duisburg-Marxloh" ansehe, könne man die Politik der AfD verstehen. Sie selbst erzählt offen von unangenehmen Vorfällen mit Ausländern. Aber, so räumt die AfD-Versteherin ein, im Grunde habe die AfD auch kein Rentenkonzept.

Der typische AfD-Wähler soll männlich sein, mittleren Alters, mittlere Bildung, mittleres Einkommen. Aber wo sind in der Weseler City all die männlichen AfD-Wähler? Nach langem Suchen findet sich auch ein AfD-Sympathisant männlichen Geschlechts. Er sei IT-Systematiker, sagt er. Informationen über sein Wahlverhalten will er nicht preisgeben. Fotos? "Nein, bitte nicht."

Eine letzte AfD-Wählerin, die an diesem Vormittag mit unserer Redaktion auf ihre Wahlentscheidung zu sprechen kommt, erhofft sich von der Wahl einen Ruck im Land und ein Signal für die Politik. Es seien Fehler in der Flüchtlingspolitik gemacht worden.

Die Fehler in der Flüchtlingspolitik - immer wieder ist es dieser Vorwurf, den die AfD gegen die CDU ins Feld führt. Blickt man auf die einzelnen Stimmbezirke im Kreis Wesel, dann ist erkennbar, dass die AfD in bestimmten Bezirken besonders stark ist. Im Stimmbezirk 2.1, Theodor-Heuss-Grundschule in Flüren etwa: 13,1 Prozent holt die AfD hier. Im Stimmbezirk 6.0, Konrad-Duden-Realschule kommt sie auf 13 Prozent, in 7.1, Grundschule Feldmark, auf 14,6 Prozent. Schwächer hingegen ist die AfD in Wesel durch die Bank auf dem Dorf, in Bislich oder Ginderich. Diese Tendenz zeigt sich auch in Hamminkeln, wo die AfD generell schwächer abschneidet als in Wesel. 6,4 Prozent der Wähler gaben hier ihre Zweitstimme für die AfD ab - die Hochburg der AfD liegt hier in Mehrhoog. Würde Deutschland nur aus Ortschaften wie Loikum oder Dingden bestehen, dann würde die AfD in Deutschland nicht über die Fünf-Prozent-Hürde kommen.

In Schermbeck fällt das starke AfD-Resultat in Altschermbeck-Dorf auf. Hier votierten 11,4 Prozent der Wähler mit ihrer Zweitstimme für die AfD. In Hünxe ein ähnliches Bild: In Drevenack schneidet die mit 11,9 Prozent (Wahllokal Grundschule) sehr gut ab, das gleiche Ergebnis auch im Wahllokal Gaststätte Rühl.

Eine Tendenz, die sich überall zeigt: Bei den Briefwählern punktet die AfD durch die Bank nicht. Es scheint, als hätten viele Wähler mit dem Gang zur Urne am Wahlsonntag auch ein Signal setzen wollen.

Ein Effekt ist ausgeblieben. Kreiswahlleiter Lars Rentmeister hatte im Vorfeld befürchtet, dass die vielen Wahlbeobachter, die sich im Internet für die Begleitung der Stimmenauszählung angekündigt hatte, viele davon aus dem AfD-Umfeld, für eine Verzögerung der Auszählung sorgen würden. Rentmeisters Bilanz gestern: "Es lief alles zufriedenstellend ab."

(RP)
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