Wesel Was ist gute Architektur, Herr Störmer?

Wesel · Fred Störmer ist einer der bekanntesten Architekten aus Wesel. Er hat große Projekte am Niederrhein wie das Preußen-Museum und den RWE-Bau in Wesel realisiert. Im Interview spricht er über das Verhältnis des Niederrheins zu guter Architektur.

 "Wenn man die solide Basis als Fundament nimmt und von dort aus entwickelt, nicht unbedingt das Ausrufezeichen setzt, dann ist das auch gut. Eine gute Architektur kann sich auch einfügen in einen Kontext, muss nicht zwangsläufig als Ausrufezeichen in der Landschaft stehen." Fred Störmer Weseler Architekt

"Wenn man die solide Basis als Fundament nimmt und von dort aus entwickelt, nicht unbedingt das Ausrufezeichen setzt, dann ist das auch gut. Eine gute Architektur kann sich auch einfügen in einen Kontext, muss nicht zwangsläufig als Ausrufezeichen in der Landschaft stehen." Fred Störmer Weseler Architekt

Foto: Jana Bauch

Herr Störmer, reden wir über gute Architektur. Was ist das für Sie?

Fred Störmer Gute Architektur gibt es zum Glück recht viel. Wir sehen am Niederrhein zwar viele profane Bauten, aber bei genauem Hinschauen kann man auch hier sehr gute Architektur finden. Wir reden im Großen von Bauten wie der Oper in Sydney oder der neuen Elbphilharmonie in Hamburg, die ohne Zweifel hervorragende, auch zeichenhafte Architektur sind.

Wie ist es am Niederrhein, ist der mutig genug in Sachen Architektur?

Störmer Der Niederrhein ist solide und sollte vielleicht die Chance aufgreifen, noch mehr mutige Architektur zu machen. In Duisburg im Innenhafen hat es eine solche Entwicklung gegeben, als man dort den brachliegenden Holzhafen durch den Londoner Architekten Sir Norman Foster entwickelte. Inzwischen ist auch dieser Innenhafen in die Jahre gekommen. Es gehört aber im Kern politischer Mut dazu, eine solche Entwicklung anzugehen. In Wesel wäre es zum Beispiel sehr mutig, mit guter Architektur an den Rhein zu gehen. Die Debatte gab es vor 20 Jahren schon, dann ist das wieder zurückgefahren worden. Dann haben sich die Strukturen dort baulich so verfestigt, dass eine Entwicklung dort kaum noch möglich ist. Wir Architekten können auf Bauherrenwünsche eingehen und außergewöhnliche Bauten schaffen. Aber wir sind nicht der Motor. Das ist der, der das Geld gibt.

Gibt es Gründe dafür, warum am Niederrhein so konservativ gebaut wird - konservativ im Sinne von Bewahren und Restaurieren?

Störmer In Wesel sind die Fünfziger, die Zeit des Wiederaufbaus nach dem Krieg, baulich interessant. Man darf das nicht unterschätzen. Da gibt es baulich durchaus sehr viel gute Architektur, und wenn man die fachgerecht wiederherstellt, wie es mit dem Fassadenprogramm geschieht, dann ist das eine gute Sache für Wesel. Es könnte sein, dass Wesel dadurch mehr Glanz, mehr architektonische Qualität bekommt. Ob das allerdings ein Trend ist, ob der Mut von Einzelnen am Niederrhein fehlt, etwas Besonderes zu machen, will ich so nicht sagen.

Welche Kommunen am Niederrhein haben sich was getraut?

Störmer Den Kamp-Lintfortern spreche ich ein großes Lob aus. Mit der Landesgartenschau und der Hochschule passiert dort Gutes. Die sind sehr gut damit umgegangen, etwas völlig Neues zu planen. Bei anderen Städten fällt mir nicht so viel ein.

Je weiter man nördlich am Rhein schaut, desto weniger entdecken Städte die Chancen von moderner Architektur am Rhein. Wenn man nach Rees schaut, dominiert dort gutbürgerliche Architekturküche.

Störmer In Rees ist, so weit ich das beobachte, moderne Architektur sogar verpönt. Das Städtchen könnte ebenso wie Wesel neue Architektur vertragen. Die Chance ist da, am Rhein etwas Neues zu machen.

Inwieweit entdecken Sie bei privaten Bauherren mehr Mut als bei Städten?

Störmer Das Bewusstsein der Firmen, sich durch Architektur darzustellen, kommt langsam. Das Weseler Unternehmen Lase hat es ordentlich gemacht, finde ich. Dort ist ordentliche Gewerbearchitektur entstanden. Man muss auch bedenken, dass private Bauherren im Unterschied zum Politiker keinem Wähler verpflichtet sind.

Was macht nach Ihrer Wahrnehmung im Kern gute Architektur aus?

Störmer Es nehmen so viele Faktoren Einfluss: Raum spielt eine Rolle, Licht, Begrenzung, Material, die Umgebung. Und dann muss man auch bedenken, dass es kulturell Unterschiede gibt, was gute Architektur ist. Nicht alles passt überall.

Wenn Sie sagen, dass es kulturell unterschiedliche Auffassungen zu guter Architektur gibt, dann kann man ja konsequent antworten: Es ist okay, dass am Niederrhein so gebaut wird, wie gebaut wird. Zu Modernes würde vielleicht gar nicht passen.

Störmer Die Auffassung kann ich verstehen. Wenn man die solide Basis als Fundament nimmt und von dort aus entwickelt, nicht unbedingt das Ausrufezeichen setzt, dann ist das auch gut. Eine gute Architektur kann sich auch einfügen in einen Kontext, muss nicht zwangsläufig als Ausrufezeichen in der Landschaft stehen. Die Elbphilharmonie, um das Beispiel aufzugreifen, ist so ein Ausrufezeichen, zeitgemäß und dauerhaft in der Wertigkeit. In der postmodernen Zeit der Architektur hingegen, Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger, ist vieles bunt und verschnörkelt gebaut worden. Das hat für mich dauerhaft keinen Wert.

Sind spektakuläre Hochhausbauten wie in Dubai, wo es um Höher, Schneller, Weiter geht, für Sie gute Architektur? Staunen Sie über solche Architektenleistungen?

Störmer Das sind die neuen Geschlechtertürme, Machtpräsentationen, immer höher. Das ist für mich keine gute Architektur, wenngleich eine riesige Herausforderung an technische Möglichkeiten, die zu bewältigen hat meinen Respekt. Ich mag den Kampf um den höchsten Turm und die größte Macht nicht.

Wie ist es mit Eigenheimen? Mehr und mehr sieht man am Niederrhein, dass bei Privathäusern Anleihen beim Bauhaus-Stil genommen werden. Weiße Häuser mit Kubus-Formen. Ist das mutig?

Störmer Ich nenne das Pseudo-Bauhaus-Welle. In Dinslaken-Eppinghoven gibt es so ein Projekt. Für mich ist das Monotonie. Jeder baut einen Kubus, zweigeschossig, Flachdach. Aber die wenigsten der Bauherren haben Bauhaus verstanden. Im Bauhaus ging es darum, neue Qualität zu schaffen, Eigenständigkeit, das ist nicht mehr da. Im Grunde ist diese Architektur rückwärtsgewandt.

Bauen Sie selbst so etwas?

Störmer Ich versuche so etwas zu vermeiden. Wenn jemand kommt, der den Bauhaus-Stil haben möchte, dann muss ich lange mit ihm sprechen. Wenn er eine monotone Kiste haben möchte, wie sie überall steht, versuche ich ihn zu überzeugen, etwas anderes zu machen.

Was sind die Lieblingsprojekte Ihres Berufslebens? Auf was sind Sie stolz?

Störmer Die individuellen Einfamilienhäuser. Einige schöne Häuser haben wir gebaut, sogar den Architekturpreis NRW gewonnen für einen umgebauten eingeschossigen Flachdachbungalow. In Wesel haben wir das Preußen-Museum mit gebaut, die Rathauserweiterung realisiert. Das bekannte Restaurant Art, das etwas andere Wohnprojekt Isselstraße der WBW und Kita-Erweiterungen waren ebenfalls schöne Projekte. Auch das RWE-Gebäude an der B 8 haben wir realisiert. der Bau ist nach wie vor gut, finde ich. Im Moment sind wir neben Wohnbauprojekten mit einem Auftrag der Stadt Borken befasst. Es geht um ein Betriebsgebäude fürs Klärwerk. Das zeigt die Vielfalt, mit der man als Architekt am Niederrhein befasst ist.

SEBASTIAN PETERS FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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