Wesel Vom gelebten Leben berichten

Wesel · An jedem dritten Donnerstag im Monat findet nun im Awo-Treff Feldmark das Erzählcafé statt.

 Christel Hasibether, Hanne Eckart und Helga Gentek (von links) erzählten sich Geschichten von früher: glückliche und weniger schöne.

Christel Hasibether, Hanne Eckart und Helga Gentek (von links) erzählten sich Geschichten von früher: glückliche und weniger schöne.

Foto: Malz

Kennen heute junge Menschen noch Eisblumen innen an den Fensterscheiben der Wohnung? Wohl kaum, jedenfalls nicht hier im Nordwesten Deutschlands, in der Ebene mit den zumeist milden Temperaturen im Winter. Oder ist das Bad am Samstagabend, für viele Menschen, die früher noch nicht über ein richtiges Badezimmer verfügten, ein Begriff? Wilhelm Busch hat das komisch überhöht in einer gezeichneten Geschichte dargestellt. Früher, davon hat Willi Fährmann, der Duisburger Lehrer, der zum Schriftsteller wurde und in Xanten lebt, höchst anschaulich in einem Buch erzählt.

Hanne Eckhardt hatte es bei sich an jenem Donnerstagnachmittag im Awo-Treff Feldmark, am Dorotheenweg 6. Neues war nämlich angesagt: "Erzählcafé" ab 15 Uhr. Vom Bürgersteig eine kurze Treppe hoch, drinnen ein kleiner Vorraum, daneben ein freundliches Empfangszimmer mit Regalen, einem langen Tisch und bequemen Stühlen drumherum. Mit Kissen natürlich. Gemütlich warm hier. Christel Hasibether kam auch bald, dann noch Helga Gentek, die hier den schon legendären Bingo-Treff leitet.

Etwas Neues, das macht doch Spaß. Sogar, wenn das Grüppchen heute quasi als Eisbrecher fungieren muss. Von früher soll erzählt werden, als es ganz anders war, naja, als vieles anders war, nicht unbedingt besser, aber erinnerungs- und bedenkenswert. Zentralbeheizte Häuser und Wohnungen? Nur bei entsprechend höheren Familieneinkommen. Ein Raum nur war beheizt, tagsüber, in der Regel die Wohnküche. Nachts war alles kalt, auch im Winter. Also Eisblumen am Fenster, oft auch tagsüber.

Erinnerungen sprudelten nur so. Das wöchentliche Bad: Zinkwanne, heißes Wasser aus einem Riesenkessel auf der rotgeheizten Herdplatte, Reihenfolge nach Rang, erst der noch nicht eingeschulte Enkel, dann Mutter, Oma, Opa, danach Socken waschen, Wischwasser, Wanne scheuern, Wanne im Keller aufhängen. Für uns heute sehr komisch. Aber mal sachte: Was mögen spätere Generationen über uns wohl komisch finden? Das Rad des sogenannten Fortschritts dreht sich weiter und schneller, die Menschen bewerten zumeist jedoch nach uralten Mustern.

Interessant kann das Erinnern aber sein, in vielem sogar dankbar machen. Gerade in der Feldmark leben mit den "Alteingessenen" viele Menschen aus wer weiß wie vielen Gegenden der Erde. Viel Interessantes könnte im Erzählcafé weitergetragen werden. Dabei zählt ja nicht der Ehrgeiz, ganze Geschichten zuwege zu bringen. Das Aufeinander-Hören, das Ergänzen oder Vergleichen von Erfahrungen, überhaupt das Berichten vom gelebten Leben mit glücklichen Momenten und unausweichlichen Fährnissen in lockeren Gesprächen wäre ein guter Anfang. Herzlich willkommen ist jeder Interessierte an jedem dritten Donnerstag im Monat ab 15 Uhr am genannten Ort. Der nächste Termin: Donnerstag, 18. Februar, 15 Uhr.

(RP)
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