Schermbeck Volle Kirchen beim "Bischof von Gahlen"

Schermbeck · Heute vor 275 Jahren wurde der Pastor Johann Heinrich Bernhard Natorp geboren.

 An die Familie Natorp erinnert der fast völlig verwitterte Grabstein an der Gahlener Dorfkirche. Es existiert allerdings noch dieses Foto aus dem Jahre 1962 mit deutlich erkennbaren Schriftzügen. Von Johann Heinrich Bernhard Natorp ist kein Bild bekannt. Erhalten ist aber ein Gemälde seines berühmten Sohns Bernhard Christoph Ludwig Natorp.

An die Familie Natorp erinnert der fast völlig verwitterte Grabstein an der Gahlener Dorfkirche. Es existiert allerdings noch dieses Foto aus dem Jahre 1962 mit deutlich erkennbaren Schriftzügen. Von Johann Heinrich Bernhard Natorp ist kein Bild bekannt. Erhalten ist aber ein Gemälde seines berühmten Sohns Bernhard Christoph Ludwig Natorp.

Foto: Scheffler

Die Schrift auf dem Grabstein an der Ostwand der Gahlener Kirche ist fast vollständig verwittert, und hätte der Heimatverein 2001 nicht eine Bronzetafel mit den Namen anfertigen lassen, so wüsste kaum noch jemand, dass am 29. März 1741 der Gahlener Pastor Johann Heinrich Bernhard Natorp geboren wurde - heute vor 275 Jahren. Auf älteren Fotos des Grabsteins erkennt man die Namen H.C. Huffmann, geb. Hecker, H.C. Natorp, geb. Huffmann und H.B. Natorp. Der Grabstein erinnert an die Gahlener Pfarrerfamilie Natorp. Willy Erley, Walter Quix und Dr. Frank Heidermanns haben seit dem Zweiten Weltkrieg wesentlich dazu beigetragen, dass die Geschichte der Familie Natorp erforscht wurde.

Bei dem auf dem Grabstein vermerkten H.B. Natorp handelt es sich um den Pfarrer Johann Heinrich Bernhard Natorp. Er wurde am 29. März 1741 in Hagen als fünfter (nach Heidermanns) oder sechster Sohn (nach Quix) des Ehepaares Natorp geboren, das im Juli 1729 geheiratet hatte. Sein Vater Johann Bernhard Natorp (1699-1776) war in Hagen Notar, bevor er 1753 die Stelle eines Gerichtsassessors am neugegründeten Bochumer Landgericht übernahm. Die Mutter Anna Christina Elisabeth Ostermann (1704-1758) entstammte der Familie des Reichskonsulenten Dr. Ostermann zu Dortmund.

In Hagen wurde Johann Heinrich Bernhard durch einen Hauslehrer und in der Schule des Rektors Griesebeck auf die Universität vorbereitet. 1760 begann der 19-Jährige mit dem Studium in Halle an der Saale. Einige Jahre betätigte sich Natorp als Hauslehrer in Elberfeld. Am 29. März 1769 berief man ihn als Prediger nach Werden. Dort heiratete er am 26. Dezember 1773 die Tochter des Bürgermeisters, Helene Catharina Huffmann (1750-1818). Bekanntestes Mitglied ihrer Familie war ihr Onkel, Oberkonsistorialrat Johann Julius Hecker, ein Duz-Freund Friedrichs des Großen, der die erste Realschule in Berlin gründete, später den Ruf eines bedeutenden Pädagogen genoss.

Die Schwiegermutter Johann Heinrich Bernhard Natorps, die wie ihre Tochter Helene Catharina Huffmann hieß und eine geborene Hecker war, soll nach dem Tode ihres Mannes nach Gahlen gezogen sein. Ihr wird der obere Teil der Inschrift auf dem Stein gewidmet sein. Nach Heidermanns soll sie 1804 gestorben sein, nach Quix 1817.

Johann Heinrich Bernhard Natorp war nach Werden und weiteren acht Jahren in Gemen 1786 Pfarrer in Gahlen geworden. "Weit über den Kreis seiner Wirkungsstätte hinaus war sein Ruf als Prediger gedrungen", schrieb Walter Quix im Heimatkalender des Kreises Dinslaken. Jedes Jahr habe ihn die Fürstin von Bentheim-Steinfurt als Beichtvater berufen. Bis ins 70. Lebensjahr hat er diese geistliche Pflicht ausgeübt, obwohl er hin und zurück 24 Stunden im Bauernwägelchen durch die Heide unterwegs war. Die Fürstin schrieb dem Pastor häufig.

In Gahlen war Pastor Natorp sehr beliebt. Die Akten verraten, dass die Kirche bei seinen Predigten vollgepfropft war. Anlässlich seines 79. Geburtstages und der am selben Tag gefeierten 50-jährigen Tätigkeit als Prediger wurde in der Gahlener Kirche eine Tafel aufgehängt mit der in goldenen Buchstaben verfassten Aufschrift: "Dem würdigen Jubelgreise, unserm hochverehrten und hochgeliebten Lehrer, dem "Herrn Prediger J.H.B.Natorp." Zur Feier waren 62 Abgesandte kirchlicher und behördlicher Stellen sowie der Synoden ins Lippedorf gekommen. Die Festpredigt hielt der später sehr bekannte Bischof Dr. Wilhelm Johann Gottfried Roß, der in Isselburg geboren wurde und die Gymnasien in Wesel und Moers besuchte. An anderer Stelle wird Natorp als "Bischof von Gahlen" bezeichnet, wie man ihn im Volksmunde und auch unter geistlichen Brüdern genannt habe. Bezeichnungen wie "alter Bernhard von Gahlen" und "Vater Natorp" legen gleichfalls Zeugnis seiner Beliebtheit ab. Im Nachruf hieß es: "Gesegnet von den Amtsgenossen und den Gemeindegliedern, die zu dem ,Bischof von Gahlen' wie zu einem Vorbild der Kraft und des Geistes, doch auch der Bescheidenheit emporblickten." Bereits ein Jahr vor Pfarrer Natorps Tod starb seine Frau am 10. Juni 1818 nach einem langen Krankenlager. Am 14. Oktober 1819 starb Pfarrer Natorp.

Der älteste Sohn, Bernhard Christoph Ludwig, machte eine glänzende Karriere. Als Doktor der Theologie wurde er zum Dezernenten fürs Schulwesen ernannt und ins Innenministerium berufen. Später kam er als Vize-Generalsuperintendent und Oberkonsistorialrat nach Münster. Er verfasste zahlreiche Lehrbücher. Zu Ehren seines Wirkens wurde in Westfalen die "Natorp-Stiftung" ins Leben gerufen. Ein Enkel des Gahlener Pfarrers Johann Heinrich Bernhard, Alfred Reinhold Natorp, hatte in Schermbeck von 1830 bis 1834 die erste Pfarrstelle nach der protestantischen Union inne. Am 16. September 1834 heiratete er in Schermbeck Maria Friederika Dahlhoff (1808-1878). Im selben Jahr berief ihn das Gahlener Presbyterium als Prediger an die Wirkungsstätte seines berühmten Großvaters nach Gahlen.

(RP)
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