Niederrhein Verfolger und Opfer in der Nazi-Zeit

Niederrhein · Das Landesarchiv in Duisburg startet heute eine Vortragsreihe und eine Ausstellung über die Gestapo im Rheinland.

 Dr. Martina Wiech, Dr. Frank Bischoff, Dr. Anselm Faust und Prof. Dr. Kurt Düwell.

Dr. Martina Wiech, Dr. Frank Bischoff, Dr. Anselm Faust und Prof. Dr. Kurt Düwell.

Foto: andreas probst

Die Geheime Staatspolizei, allgemein bekannt unter dem Kürzel "Gestapo", war das wichtigste und bekannteste Instrument zur Unterdrückung der einheimischen Bevölkerung im Dritten Reich. Im Landesarchiv an der Schifferstraße 30 am Duisburger Innenhafen beginnt heute, 18 Uhr, eine Vortragsreihe, in der die rheinischen Gestapostellen und ihre Aktivitäten im Mittelpunkt stehen. Zugleich wird eine Ausstellung eröffnet, in der einzelne Schicksale von Widerstandskämpfern und Opfern des Nazi-Regimes in Schrift und Bild dokumentiert werden.

Ausstellung und Vortragsreihe werden von einem hochkarätigen wissenschaftlichen Team konzipiert: Dr. Frank Bischoff (Präsident des Landesarchivs NRW und Vorsitzender der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde), Dr. Martina Wiech (Leiterin der Abteilung Rheinland des Landesarchivs NRW), Prof. Dr. Kurt Düwell (em. Professor des Historischen Seminars der Uni Düsseldorf) und Dr. Anselm Faust (Dezernatsleiter des LAV i.R.).

Faust ist zugleich Herausgeber eines wissenschaftlichen Buchprojektes, das auch heute vorgestellt wird. Dabei geht es um die "Lageberichte Rheinischer Gestapostellen 1934 - 1936". Und damit ist man zugleich mitten in einem zwar widerlichen, aber aufschlussreichen Abschnitt deutscher Geschichte.

Im Rheinland gab es fünf, jeweils für einen Regierungsbezirk zuständige Staatspolizeistellen: in Düsseldorf, Aachen, Köln, Koblenz und Trier. Sie hatten regelmäßig über ihre Tätigkeiten und ihre Beobachtungen Bericht zu erstatten. Monatlich informierte die Gestapo so über die Stimmung in der Bevölkerung, über die wirtschaftliche Entwicklung, über das Verhalten der "Gegner"-Organisationen sowie vieler gesellschaftlicher Vereinigungen einschließlich der NSDAP. Diese Monatsberichte, die zwischen 1934 und 1936 geschrieben wurden, hat Faust in mehreren Bänden dokumentiert und kommentiert. Die Monatsberichte der Gestapo liefern eine Fülle von Informationen zur regionalen Sozial-, Wirtschafts- und Politikgeschichte.

Sie sind zwar aus der Perspektive der Verfolger und Unterdrücker geschrieben, doch kann man beim Quellenstudium auch die Situation der Verfolgten erkennen. Die Gestapo-Mitarbeiter hatten die Aufgabe, die Stimmung in der Bevölkerung nach Berlin zu melden. Und da findet sich beispielsweise eine Beobachtung, die uns Nachgeborenen schmeichelt, die den Nazischergen aber gar nicht gefiel: "Der Rheinländer hat von Natur aus eine kritische Einstellung". Mit diesem Zitat überschreibt Dr. Faust am Dienstag auch seinen Vortrag, bei dem er die Quintessenz seiner umfangreichen Dokumentation darstellt.

Neben den Lageberichten verwahrt das Landesarchiv in Duisburg noch eine besondere Quelle zur Aufarbeitung der Nazi-Zeit: Die Gestapo-Personenakten der Leitstelle Düsseldorf. Die Akten wurden von 1933 bis 1944 über Oppositionelle, Kommunisten, Homosexuelle und "verdächtige Personen" geführt. Der Bestand umfasst 72.000 personenbezogene Akten aus Düsseldorf und den Außenstellen, darunter Duisburg. Aus diesem riesigen Bestand speist sich die sehenswerte Dokumentationsausstellung, die in den kommenden Monaten im Duisburger Landesarchiv besichtigt werden kann.

In den kommenden Monaten sind noch vier weitere Vorträge (jeweils dienstags, 18 Uhr) geplant. Und zwar am 19. April, am 10. Mai, am 31. Mai sowie am 14. Juni. Vor den Vorträgen besteht die Möglichkeit, in einer halbstündigen Führung das Landesarchiv kennenzulernen. Treffpunkt ist um 17.30 Uhr im Foyer des Landesarchivs. Die Teilnahme an den Vorträgen und Führungen ist kostenlos; eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

(pk)
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