Wesel Tango también setzt in Bislich leuchtenden Akzent

Wesel · Die Sonne über den Rheinauen, an der Bislicher Kirchenwoy ein Blick auf die nistenden Störche, dann hinein die St. Johannes-Kirche hinter dem Deich, wo in sich versunkene Hörer auf die Musik warten. Gleich, am ersten Sonntag des Juni-Monds, sollte dieses erste Konzert im Jahr einen leuchtenden Akzent setzen. Zwei junge Musikerinnen, im Duo Tango también, stellen sich vor: die Flötistin Annette Coelho und die Gitarristin Andrea Gémes. Sie spielen Werke, in denen sich Lebensfreude ausdrückt, die just im Sommer so gegenwärtig ist.

Die Hamburger Sonate des Bach-Sohnes Carl Philipp Emanuel schwingt sich federleicht in den Raum. Die helle Flöte singt die Melodie, die Gitarre antwortet oder untermalt mit ihrer dunkleren, samtigen Stimme. Die ist natürlicherweise auch etwas schwächer, deshalb wird sie mittels unauffälliger Technik behutsam verstärkt. Bruchlos harmonieren die Musikerinnen. Die Flötentriller im Allegretto sind pure Lebenslust, das Rondo ist ein schwereloser Tanz.

Das berühmte "Air" des großen Vaters Johann Sebastian Bach, entrückt ihre unzweifelhafte Schönheit in den weiten, von Erfahrung und Demut geprägten Kontext der Welt. Die Sonate C-Dur verweilt zunächst sinnend im Andante, springt dann jedoch in ein kühnes impulsgebendes Presto. Das ordnet sich im Allegro zu einem figural schlüssigen Tanz, der im Adagio innehält, um dann in Menuetten neue Formen zu finden. Sehr gut das Gitarren-Solo mit Bachs Präludium BWV 1007, ursprünglich für Cello geschrieben, hier für Gitarre eingerichtet. Die gebrochenen Akkorde, die eleganten Läufe zupft Andrea Gémes glasklar auf den Saiten und bindet sie zugleich zur komplexen Klanggestalt.

Flöte und Gitarre vereinen sich wieder in Locatellis heiterer Sonate G-Dur. Wie hurtig da das Allegro forthüpft und wie feierlich das Largo den Tag lobt! Rhythmisch streng und melodisch reich "Les Folies d'Espagne" von Marais. Noch ein Gitarren-Solo: "Recuerdos de la Alhambra", frei übersetzt "Erinnerungen an die Alhambra". Der Katalane Francisco Tarrega hat die wunderbare Klang-Verinnerlichung komponiert. Das "Wunderbare" ist wörtlich zu nehmen. Wer je versucht hat, die Alhambra in Granada mit allen Sinnen zu erfassen, weiß, dass es sich bei diesem Bau um eines der schönsten und geistreichsten architektonischen Werke handelt.

Für die Gitarre ist es in technischer Hinsicht ein "Tremolo-Stück". Das erklärt die Ungarin Andrea Gémes nach dem Konzert. Es geht so: Die Finger der linken Hand greifen wie sonst auch die Töne auf dem Hals des Instruments ab und der Daumen der rechten Hand zupft die zugehörige Saite wie üblich nahe der Öffnung im Korpus der Gitarre, gleichzeitig tremolieren drei Finger der rechten Hand auf den Saiten. Es entsteht ein fülliger, melodisch bezaubernder Klang.

"Bach meets Piazzolla", Partiten von Bach, zuerst die in a-Moll für Flöte solo, dann die Nummern II und III, jeweils steigernd ins Moderne, im Dialog mit Piazzollas "Adios Nonino" für Flöte und Gitarre, bearbeitet von Annette Coelho - eine mitreißende Schilderung der menschlichen Existenz. Ganz großer Applaus und zwei Zugaben. Mehr geht nicht.

(RP)
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