Wesel Schülerin päppelt Spatz Socke auf

Wesel · Ein junger Vogel lag hilflos mit gebrochenem Flügel auf einem Weg - dank Emma Kunst aus Perrich wird er bald flügge.

 Spatz Socke wird quirlig, sobald Emma sich um ihn kümmert - eine echte Freundschaft.

Spatz Socke wird quirlig, sobald Emma sich um ihn kümmert - eine echte Freundschaft.

Foto: Armin Fischer

Er ist höchstens 21 Tage alt, wiegt vielleicht 20 Gramm und frisst ihr aus der Hand: Socke hat die elfjährige Emma Kunst aus Perrich den winzigen Spatz getauft, den sie auf dem Weg zum Elternhaus gefunden hat. "Als er die Augen nach ein paar Tagen auf hatte, da sah er wirklich aus wie der Rabe aus dem Kindertrickfilm", sagt Emma und streicht dem Spatz, der auf ihrem Finger sitzt, über das wuschelige Federkleid, das er inzwischen hat.

Am Tag nach Vatertag hat sie ihn gefunden, das weiß sie noch genau. "Er lag auf dem Rücken in der Sonne, nackt, hatte die Augen geschlossen. Und ein Flügel war gebrochen". Vorsichtig hat Emma ihn aufgehoben, ihre Patentante Vera ist mit ihr zu einer Tierärztin in Flüren gefahren, die hat den Flügel getaped, damit er ein wenig fixiert ist. Sie gab Emma eine dünne Spritze mit, damit sie den Spatz füttern kann. Die erste Nacht verbrachte Socke im Gartenhaus, mit Emma, ihrer neunjährigen Schwester Paula und Tante Vera.

Am nächsten Tag zog Socke um, ins Gäste-WC. Emma hatte ihm ein Zuhause gebaut, eine Holzplatte mit Kaninchendraht eingezäunt, die elektrische Heizdecke reingelegt, die die Tante mit den Schwestern gekauft hat. Weil der junge Vogel doch Wärme braucht, viel Wärme. Die Box steht auf dem Toilettendeckel, damit Molly, die Katze, nicht dran kommt.

Alle halbe Stunde muss Socke gefüttert werden, bekommt mit der Spritze "Classic Egg Food" und ein Insekten-Mix, aufgeweicht. "Nein, auf keinen Fall" kommt es wie aus der Pistole geschossen, fragt man Emma, ob Socke auch was zum Trinken kriegt, "der hat doch ein Loch in der Zunge, eine Art Luftloch. Wenn man ihm Wasser geben würde, könnte er ersticken". Nachts schläft der Spatz durch, von 21 Uhr bis morgens um 6.

Emma stellt sich jeden Morgen ihren Handy-Wecker, versorgt erst den Spatz, dann zieht sie sich an, frühstückt. Um 7 Uhr fährt der Bus nach Wesel ab, wo sie die sechste Klasse im Andreas-Vesalius-Gymnasium besucht. Sport und Mathe sind ihre Lieblingsfächer, Biologie findet sie auch gut.

Während Emma in der Schule ist, kümmert sich Mutter Simone um das kleine Spatzenkind, das sie auch schon mal mit ins Büro genommen hat und das in seiner Box auch auf der Rückbank im Auto sitzt, wenn sie ihre beiden Töchter zum Voltigieren nach Mehrhoog-Töven bringt. Zwar kümmert sich auch die Schwester Paula um den Vogel. Aber Socke ist auf jeden Fall auf Emma fixiert, wird richtig quirlig, sobald sie ihn aus der Box nimmt, sich den Vogel auf die Schulter und mit ihm ins Gras auf die Wiese hinterm Haus setzt.

Sie zeigt ihm Gräser, wo Samen dran ist, den Spatzen fressen, gibt ihm Körner, kleine Apfelstückchen. Am 4. Juni hat Socke zum ersten Mal die Augen geöffnet, in zwei bis drei Tagen, schätzt Spatzen-Mama Emma, wird er flügge.

Dann muss sie ihn fliegen lassen, den kleinen Spatzen, der es ohne die Elfjährige nicht geschafft hätte. Sicher, sie wird ein wenig traurig sein, sagt Emma. Aber: "Ich freue mich für ihn, wenn er in die Freiheit fliegt."

(RP)
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