Wesel Risse in Häusern: Bürger wollen kämpfen

Wesel · Für Wilhelm Fischer aus Werrich ist klar: Die Risse in seinem Haus sind dem Salzabbau geschuldet. Der Gutachter der für Gebäudeschäden zuständigen Cavity GmbH widerspricht. Die Betroffenen wollen sich zusammentun - und kämpfen.

Fast jeder kennt das Gefühl, wenn ein gewisses Maß überschritten ist, wenn aus stillem Leiden Wut wird. Wilhelm Fischer ist jetzt wütend. Der 61-Jährige lebt mit seiner Frau Antonie in einem gut 100 Jahre alten Haus am Eyländerweg im linksrheinischen Werrich. Vor gut einem Jahr haben die Fischers die frühere Gaststätte aufwendig saniert.

"Überall im Haus gab's Risse, teilweise sind auch die Kacheln am Sockel locker gewesen und stellenweise abgefallen", sagt der Landwirtschaftsmeister und breitet mehrere Fotos vor sich aus. Wie die Risse entstanden sind, ist für ihn keine Frage: "Natürlich durch den Salzabbau." Denn Werrich liegt am Rand eines Trichters, der durch den Abbau von Salz unterhalb von Ginderich entstanden ist.

Was für Wilhelm Fischer nun das Fass sprichwörtlich zum Überlaufen gebracht hat, ist die Tatsache, dass es in den von Fachleuten frisch sanierten Räumen schon wieder Risse gibt und dass die für Gebäudeschäden zuständige Cavity GmbH mit Sitz in Rheinberg (siehe Infobox) nicht gewillt ist, für die Schäden aufzukommen.

"Wir haben anfangs gar keine Forderungen an die Cavity gestellt, da wir auch die Auseinandersetzung gescheut haben. Wir dachten, dass die Senkungsphase abgeschlossen ist, und wussten nicht, dass die Senkung im Salzabbau bis zu 150 Jahren dauern kann." Dass sich aber jetzt erneut Schäden bemerkbar machen, ist für die Fischers der Auslöser, aktiv zu werden. Zumal der von Cavity beauftragte öffentlich bestellte und vereidigte Gutachter Dr. Michael Clostermann (Dortmund) zu dem Schluss gekommen ist, dass die Schäden "nichts mit bergbaubedingten Bodenbewegungen zu tun haben".

Auf die Frage der RP, woher die Risse denn sonst stammen könnten, erklärte Dr. Clostermann: "Das kann jeder Statiker der Familie Fischer erklären." Er selbst sei nicht dazu bereit, weil Herr Fischer in einem Telefonat mit seinem Büro laut geworden sei. Eine Behauptung, die der Werricher scharf zurückweist.

Wie gesagt, Wilhelm Fischer ist wütend. Und er will nicht länger zusehen, wie er und andere Hausbesitzer in Werrich, Perrich, Ginderich, Rheinberg-Wallach, Büderich und in Teilen von Alpen vergeblich auf Entschädigungen der Cavitiy warten, während die Firma für die Sicherung der Deiche und den Neubau der L 460 (Xantener Straße) Millionen zur Verfügung stellen. Zusammen mit seinem Nachbarn Werner Schweickert, der mit seiner Frau neun Jahre mit Cavity verhandelt beziehungsweise am Ende einen gut 50 000 Euro teuren Rechtsstreit verloren hat, und dem Büdericher Hermann Norff will er Leidensgenossen an einem Freitag im Herbst zu einer Infoveranstaltung nach Büderich einladen. Der Termin und die Uhrzeit stehen noch nicht fest, werden aber rechtzeitig bekanntgegeben. "Allein hat man keine Chance. Nur zusammen sind wir stark. Wir sollten versuchen, uns gemeinsam rechtlich vertreten zu lassen", sagt Fischer. Hermann Norff nickt zustimmend. Der 75-jährige Büdericher kämpft schon seit Jahren dafür, dass in Büderich Spezialbecken gebaut werden, damit die linksrheinischen Dörfer bei Starkregen "nicht absaufen", wie er sagt (RP berichtete mehrfach).

So wie Fischer ist auch Norff mächtig sauer auf Politik und Verwaltung. "Da kümmert sich im Weseler Rathaus niemand wirklich um uns. Da heißt es, man könne nichts machen. Aber wir lassen nicht locker." In diesem Zusammenhang fällt Fischer noch die Geschichte von ihm und Cavity-Geschäftsführer Reinhard Maly ein. "Im November 2013 gab es in Alpen bei der Evangelischen Pfarrgemeinde eine Versammlung zu genau dem Thema. Als ich aufgestanden bin und gesagt habe, dass man sich wehren müsse, hat mir Herr Maly an die Schulter gefasst und mir zugeraunt, ich solle die Leute nicht verrückt machen. Wie viel ich denn bräuchte: tausend, zweitausend, dreitausend oder viertausend Euro."

Reinhard Maly selbst schildert die Situation anders, weist die Vorwürfe entschieden zurück. Wahr sei, dass er Herrn Fischer während der Versammlung angesprochen und ihm ein Gesprächsangebot gemacht habe, die Schäden anzusehen und zu beurteilen. Genau das sei auch geschehen.

"Hätte der Gutachter festgestellt, dass es sich bei den vorgefundenen Schäden um Einflüsse des Steinsalzbergbaus handelt, hätte die Cavity selbstverständlich die Verantwortung übernommen. Die Aussage des Gutachters ist allerdings eindeutig, dass es sich nicht um Bergschäden handelt", so Maly im RP-Gespräch.

Eine Aussage, die Fischer, Schweickert und Norff nicht fassen können und zusätzlich wütend macht. Nun hoffen sie inständig, dass viele andere Betroffene ihrem Beispiel folgen und während der Infoveranstaltung mit anschließender Diskussion Dampf ablassen und an einer Strategie arbeiten, wie sie am Ende doch noch zu ihrem Recht kommen.

(RP)
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