Wesel/Hamminkeln Obstbauern fürchten dramatische Verluste
Wesel/Hamminkeln · Bis zu 95 Prozent der Obstblüten sind mancherorts erfroren. Die Minusgrade im April haben, wie sich jetzt allmählich herausstellt, die meisten Apfel-, Kirsch- und Pflaumenblüten in der Region vernichtet.
Für einen Apfelkuchen mit selbst geernteten Früchten wird's im Herbst vielleicht gerade noch reichen. "Aber eigene Ware im Hofladen werden wir dann nicht anbieten können - keine Chance", sagt Heinz-Wilhelm Hecheltjen aus der Brüner Unterbauerschaft, der wegen ungewöhnlich harter Frostnächte in der Woche nach Ostern eine Missernte erleiden wird. So wie die meisten seiner Kollegen. Mittlerweile zeigt sich in der gesamten Region, wie groß das Ausmaß der Schäden ist.
"95 bis 98 Prozent der Blüten sind erfroren. Das ist schon ärgerlich", meint Landwirt Hecheltjen, der in diesem Jahr mit deutlichen Umsatzeinbußen rechnet. "Für das Geld, das ich durch die Frostschäden verliere, hätte ich mir einen schönen Neuwagen leisten können. Aber davon geht die Welt nicht unter."
Ein Glück für ihn, dass er in erster Linie auf foliengeschützten Spargel setzt und die mit Vlies abgedeckten Erdbeeren nicht ganz so viel abbekommen haben wie die Apfel-, Kirsch- und Pflaumenbäume und dass er in guten Zeiten sparsam gewirtschaftet hat. Ihm tun jetzt vor allem die Kollegen leid, die sich spezialisiert haben. "Ein Kollege aus dem Kreis Kleve hat mir erzählt, dass bei ihm alle Apfelblüten komplett erfroren sind. Der ist nicht mehr mit einem blauen Auge davongekommen. Da geht es, wie bei vielen Obst- und Weinbauern im Süddeutschland, um die Existenz."
Auch auf dem Demeter-Hof Clostermann in Bislich wird, das steht jetzt schon fest, in diesem Jahr eine unterdurchschnittliche Ernte eingefahren. Wobei man allerdings auch dort noch vergleichsweise gelassen mit dem Problem umgeht. "Auch wenn wir es in der einen eiskalten Nacht kurz nach Ostern nicht geschafft haben, unsere Beregnungsanlage früh genug anzustellen, so konnte doch ein Teil der Blüten gerettet werden", sagt Clostermann-Mitarbeiter Robert Boers. Ein Eismantel schützt die Blüten vor dem Erfrieren. Er geht davon aus, dass man 60 bis 70 Prozent weniger Früchte ernten werde als normalerweise.
Die Folgen eines geringeren Angebots bei voraussichtlich gleicher Nachfrage sind naturgemäß Preissteigerungen. Dass diese aber am Ende moderat ausfallen werden, davon ist Manfred Fischer überzeugt. Er ist als Obstbauberater bei der Landwirtschaftskammer NRW für den gesamten Niederrhein zuständig. "Die Preise werden nicht explodieren, weil man die Kunden, die nach regionalem Obst fragen, nicht verschrecken will." Und dann gibt es noch einen weiteren Grund: "2016 war es so, dass die Apfelbäume weniger Blüten hatten und dafür in diesem Jahr umso mehr. Das ist natürlich eher positiv." Und es gibt noch einen weiteren Aspekt, der ihn vergleichsweise optimistisch stimmt. "Je nach Sorte und Lage sind die Ausfälle sehr unterschiedlich. Und vor allem die Obstbauern, die durch eine Beregnungsanlage eine Art Wärmedecke geschaffen haben, konnten die größten Schäden abwenden."
Eine solche Anlage hat Hecheltjen übrigens nicht. Und das hat einen einfachen Grund. "Ich kenne das Risiko. Für mich lohnt sich das nicht mehr. Denn wenn ich noch zehn Jahre selbstständig weitermache, dann bin ich um die 70." Und bis dahin dürfte es, rein statistisch, ähnliche Frostschäden wie in diesem Frühjahr nicht noch einmal geben.