Wesel Neue Philharmonie Westfalen begeistert im Bühnenhaus

Wesel · Das Orchester spielte mit Pianist Martin Stadtfeld in Wesel. Ein Abend, bei dem man sich innerlich verneigen mochte.

Damit es nicht im Alltag untergeht: Was die Zusammenarbeit zwischen Stadt, Städtischem Musikverein und Musikschule anbietet an Konzerten, hat zumindest in einigen Höhepunkten den außergewöhnlichen Rang eines Großstadtprogramms. Donnerstagabend im Bühnenhaus zum Beispiel der Auftritt des weltweit gerühmten deutschen Pianisten Martin Stadtfeld: Nur wenige Besucher mehr als die Stammhörer und eine Gruppe Musikschüler mit ihrem Lehrer Georg Mersmann waren gekommen. Haydn und Mozart standen auf dem Programm, also Beginn und schon einsame Höhe der Klassik. Die neue Philharmonie Westfalen, die unter Generalmusikdirektor Rasmus Baumann eine sehr gute Fortentwicklung genommen hat, stimmte auf das Klang-Geschehen mit Haydns Sinfonie Nr. 2 C-Dur Hob I:2 ein. Die stammt zwar aus der frühen sinfonischen Arbeitsphase des Komponisten, mit der er aber erst begann nach seinem fünften Lebensjahrzehnt. Da war er nicht mehr streng gebunden an die Wünsche der herrschenden Aristokratie. Doch die unaufdringliche Eleganz jenes Stils behielt er bei in seinen zeitlos schlichten, allgemein verständlichen Kunstformen. Was zudem bedeutet, langweilig wird's bei ihm nicht. Nach dem heiteren Allegro des ersten Satzes schwangen im folgenden Andante schon Fragen an das Leben mit, und dieses meldete sich dann keck im Presto des Finales.

Der Deckel des bereit stehenden Konzertflügels wurde geöffnet. Mit dem Dirigenten betrat der junge Pianist die Bühne. Schmiegsam leicht schwebten sodann die ersten Orchesterklänge auf, ebenso berückend begann das Klavier. Ein Anschlag, der staunen ließ: federnd wie Schwirrflug, raumergreifend wie Strahlen. Die Töne perlten, jeder einzelne klar für sich und doch eingebunden ins Ganze der Melodie. Martin Stadtfeld spielte, als ob das gar nichts wäre. Aber dahin zu kommen, bedeutet harte Arbeit dank eines Fundamentes von Begabung. Wenn Analyse und Einfühlung hinzukommen, entsteht vor den Hörern eine Interpretation, die Kunst genannt werden darf. So im Bühnenhaus.

Die Hörer wurden konfrontiert mit der unterschwelligen Tragik des Menschen Mozart - mit der Tragik des Menschseins überhaupt: Freude, Glück erwächst nur angesichts des Gegenbildes von Schmerz und Leid. Mozart hat diese unausweichliche Naturgegebenheit in reinen Wohllaut verwandelt. Im Andante, dem Dialog mit dem Orchester, tastete sich das Klavier in das melancholische Dunkel des Lebens vor, bekam Antworten von einzelnen Instrumenten oder vom gesamten Orchester. Im abschließenden Allegro assai besang das Klavier beseelt das Leben. Großer Applaus, Zugabe: ein hinreißendes Stück des achtjährigen Mozart, des ungestüm umhertollenden Kindes. Unvergesslich.

Aber auch, wie das sensible Klavierspiel das Orchester beflügelt hatte. Haydns "Oxford-Sinfonie", das Werk Nr. 92 G-Dur Hob I:92, ist der Dank des Komponisten für die Verleihung des Ehrendoktor-Titels. Die Weisheit eines mit heiterer Geduld durchlebten Daseins leuchtete auf, natürlich auch die Pracht des Kosmos, darein das Nachsinnen geflochten war. Da musste man sich innerlich verneigen.

(RP)
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