Hamminkeln Kriegserinnerungen mahnen zu Frieden

Hamminkeln · Zeitzeugen berichteten beim Forum Senioren über ihre Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg. Das berührte.

 Peter Mellin, Bernd Romanski mit seiner Mutter Josefa, Heinz Breuer und Wilhelm Hüsken.

Peter Mellin, Bernd Romanski mit seiner Mutter Josefa, Heinz Breuer und Wilhelm Hüsken.

Foto: Malz

Die Welt ist aktuell so kriegerisch wie noch nie. Flüchtlinge aus Kriegsgebieten kommen zu Hunderttausenden. Viele werden in Deutschland aufgenommen, in dem Land, das eine einzigartig lange Friedensperiode erlebt. Ein Privileg für die Nachgeborenen des Zweiten Weltkriegs, das vielen Menschen heute nicht bewusst ist. Daran erinnerte das Forum Senioren im Ratssaal mit Hilfe von fünf Zeitzeugen. Ihre Erzählungen waren anrührend und von dem Appell begleitet: "Nie wieder Krieg." Zum Abschluss gab es eine kleine Diskussionsrunde der fast durchweg älteren Besucher. Zu der authentischen, heimatnahen Geschichtsstunde waren bis auf ein, zwei Ausnahmen nicht die jüngeren Hamminkelner gekommen, obwohl die Schulen eingeladen waren. Bedauerlich.

Peter Mellin vom Forum Senioren verband in seiner Begrüßung die Kriegserinnerungen mir der aktuellen Flüchtlingsthematik. Er ist selbst Flüchtling gewesen, dessen Familie aus Niederschlesien vertrieben worden ist. Sein Vater war als Arzt im Einsatz und kam nie zurück. Fußmärsche, Fahrten eingepfercht in Viehwaggons, notdürftige Unterkünfte - er erzählte anschaulich vom Schrecken nach dem Kriegsgrauen. "Ich bin dankbar, jetzt seit 70 Jahren in einer demokratischen Bundesrepublik in Frieden leben zu können", sagte er. Tränen der Rührung übermannten Mellin, der zugab, dass es Erinnerungen gebe, die einen nie verlassen. Bürgermeister Bernd Romanski betonte, dass "es den Teilnehmern hoch anzurechnen ist, ihre Erlebnisse öffentlich darzustellen". Dies sehe er auch in Verbindung zur aktuellen Situation, in der es nicht allein darum gehe, Flüchtlinge in Containern unterzubringen, denn "sie bringen auch ihre Traumata mit". Es gehe um menschenwürdige Behandlung.

Menschlichkeit in Kriegszeiten hat auch seine Mutter Josefa Romanski erfahren. Sie lebte in Gelsenkirchen-Buer, das früh Bombardierungen ausgesetzt war. Die Achtjährige kam zu einer Tante nach Ostpreußen oder wurde bei der Kinderlandverschickung in Bayern aufgenommen. "Im Lager war es sehr schön", erinnerte sie sich. Aber auch restriktiv, wenn die Briefe der Kinder nach Hause zensiert wurden. "Dass ich und meine Schwester allein 1100 Bahnkilometer unterwegs war, mit einer Karte mit Heimat- und Zieladresse um den Hals, kann man sich heute kaum vorstellen", erzählte sie. Schließlich kam sie nach Garmisch-Partenkirchen.

Heinz Breuer ließ 70 Jahre danach Mutter Pauline Breuer zu Wort kommen. Seine Familie lebte in einem Haus an der Flemmingstraße im Weseler Schillviertel, der kleine Heinz (vier) war eins von sechs Kindern, das den Bombenangriff auf Wesel am 16. Februar 1945 erlebte. "Alles verloren - doch die Familie hatte überlebt" lautete die Überschrift eines RP-Artikels, den Breuer vorlas. 1995, 50 Jahre nach Wesels Zerstörung, hatte seine Mutter der RP berichtet, wie sie vor den Trümmern ihres Hauses stand, nachdem die Familie den Bombenangriff in einem Luftschutzkeller überstanden hatte. Die Ungewissheit war groß, bis Gatte Willi, später Sparkassendirektor und Landrat, der sich von seiner Arbeit in der Isselburger Sparkasse ins zerstörte Wesel vorgekämpft hatte, seine Familie in die Arme schließen konnte. Das war in Marienthal, wo die Breuers Unterschlupf bei Pfarrer Winkelmann gefunden hatten. Wie Willi Breuer diese Tage erlebt hatte, hat er in einem Augenzeugenbericht aufgeschrieben. Auch daraus las Heinz Breuer vor. Grotesk die Situation, als am 17. Februar der Geburtstag eines Nachbars gefeiert und mit Cognac angestoßen wurde: "Alles war Galgenhumor, als wir auf den Trümmern im Freien hockten und uns das grausige Schauspiel der sterbenden Stadt ansahen."

Grausig war das Kriegsende auch für Erich Schlabes, Schmiedemeister aus Drevenack. Sein Bruder war als Fallschirmjäger zwei Kilometer vor dem Elternhaus in britische Gefangenschaft geraten. Nach einer "missverstandenen Bewegung" wurde er von einem Soldaten erschossen. Der 90-Jährige, der mit 17 zur Luftwaffe eingezogen und Pilot geworden war, rettete sich selbst aus den Kriegswirren. Vom Gefangenenlager Weeze aus ging er zu Fuß nach Hause.

An Hamminkelns Rolle bei der Luftlandung erinnerte Landwirt Wilhelm Hüsken. Weil ein Funkwagen die Infos eines deutschen Beobachtungspostens bei Pollmann weitergab, wussten die Bauersleute früh von der Landung britischer Lastensegler. "Die ganze Luft war voller Fallschirmspringer und Lastensegler", erinnert sich Hüsken. Den Wahnsinn des Endkampfes erlebte Hüsken, als die Engländer vom Hof abgezogen waren und nachts sieben deutsche Soldaten auftauchten, um den Feind zu verhaften. "Sie wollten nicht aufgeben", sagte er. Die Engländer kamen zurück, aber "selbst nach einer gemeinsamen Zigarette konnten die Deutschen nicht zur Aufgabe bewegt werden".

(RP)
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