Das Porträt Frank Baier "Ich mache immer, was mir wichtig ist"

Wesel · Am Montag startet der Autor und Liedermacher seine Tournee unter dem Motto "Gesänge des Ruhrgebiets".

 Frank Baier mit seiner "Quetsche" vor seinem Haus in der Homberger Rheinpreußensiedlung

Frank Baier mit seiner "Quetsche" vor seinem Haus in der Homberger Rheinpreußensiedlung

Foto: Thomas Range

Niederrhein Zunächst gab er das Liederbuch heraus, jetzt folgt die Musik. Mit anderen Worten: Nach seinem erfolgreichen Liederbuch "Glück auf!" (2012) folgt jetzt die LP "Gesänge des Ruhrgebiets 1870-1980". Unter diesem Titel startet Frank Baier zugleich auch seine Konzert-Tournee am Montag, 26. Oktober, um 20 Uhr in der "Säule", die ihn im Revier unter anderem nach Bochum, Gelsenkirchen, Dortmund und Oberhausen führt.

Wer einmal die Ehre und das Vergnügen hatte, bei Frank Baier zu Hause in der Homberger Rheinpreußensiedlung sein zu dürfen, wird das Erlebnis nicht mehr los, einem Stück Zeitgeschichte dort begegnet zu sein. Das Haus gleicht einem lebendigen Museum, beherbergt es doch zig politische Bücher und Schriften, LPs, Tonbänder und Kassetten, verschiedene Musikinstrumente sowie Plakate und Broschüren von seinen vielen hundert Konzerten. Und er kennt sie alle, die bedeutenden Liedermacher Deutschlands, ob Degenhardt, Mossmann, Süverkrüp, Wader oder Wecker aus dem Westen oder Biermann aus dem Osten. Mancher von ihnen hat sogar bei ihm übernachtet, und mit so manchem hat er zusammen Konzerte gespielt.

Mindestens einer in dieser prominent besetzten Aufzählung fehlt noch: Rio Reiser, ehemaliger Frontmann der legendären West-Berliner "Ton Steine Scherben" (TSS). Vor mehr als 40 Jahren trat Baier mit seiner damaligen Band "Kattong" im Vorprogramm der TSS auf. In Erinnerung daran und wie die TSS-Leute seinerzeit ihre erste Schallplatte ("Warum geht es mir so dreckig") präsentierten, gibt es auch das neue Vinyl-Cover von Baiers "Gesänge des Ruhrgebiets" in braunem Papp-Karton, "und zwar selbst geheftet und eigenständig getackert". 20 Titel aus der Zeit 1870 bis 1980 sind darauf zu hören: Arbeiterlieder, Protestsongs, Agitprop - das alles vereint die LP zu einer Produktion, bei der die Musik und die Texte einen Beitrag zur Identität der Menschen dieser Region leisten. "Die Lieder veranschaulichen die ungeheure soziale Bewegung und Umschichtung unserer Lebenswelt, in der Schmerz und Freude alltäglich und trotzdem außerordentlich waren. Die karge unmittelbare Schönheit der Lyrik aus der Arbeitswelt kommt oft mit einfachen, bekannten Melodien daher - aber immer mit einer Emotionalität, der man nicht ausweichen kann", schreibt Baier.

Baier wurde 1943 in Braunschweig geboren. Seine Mutter, Carola von Groddeck (1911-1989), war Fotografin und Folkwang-Meisterschülerin; sein Vater, Ewald Baier (1908-1976), war wie schon sein Opa Kruppianer, später in der Luftfahrtforschung und zuletzt als Ingenieur bei der Ruhrkohle. Aufgewachsen ist Baier junior in Essen-Frohnhausen. Auch er war bei Krupp und machte dort eine Ausbildung zum Werkstoffprüfer. Später studierte er Verfahrenstechnik und arbeitete bis 1996 als Ingenieur, zunächst in der Oberpostdirektion Düsseldorf und später im Post- und Fernmeldewesen in Moers.

Danach war Schluss mit dem "Ernst des Lebens", und er war fortan ausschließlich Sänger, Musiker, Autor und Liedermacher. An Musikinstrumenten spielt er Gitarre und Ukulele, Harmonika und "Quetsche" sowie Harfe. Ein Höhepunkt wurde sein Gastspiel beim Thüringer Tanz- und Musikfestival "TFF Rudolstadt", das 2002 einen künstlerischen Schwerpunkt auf das Ruhrgebiet legte. Nach dem Motto "Tradition trifft Moderne" entstand dabei eine Verbindung zwischen Ruhrgebietsliedern und Rap. So schufen Baier und die Gruppe "Sons of Gastarbeita" den Titel "März Rap 1920". Dieser Song stand monatelang auf Platz eins der deutschen Liederbestenliste. Auch auf der neuen Vinyl-LP ist er drauf. 2006 erhielt Baier gemeinsam mit der Gruppe "Die Grenzgänger" den "Preis der deutschen Schallplattenkritik" für die CD-Produktion "Lieder der Märzrevolution 1920". Seine vorerst letzte Auszeichnung war die Mercator-Ehrennadel in Anerkennung seiner Verdienste um das kulturelle Leben in Duisburg.

Kämpfen für Frieden und Häusererhalt, wie beispielsweise die Rheinpreußensiedlung, sowie gegen Atomkraftwerke, Aufrüstung und Rechts - das ist seine Lebenseinstellung. "Das menschliche Herz schlägt schließlich auch links", sagt der 72-Jährige mit verschmitztem Unterton. "Ich mache immer das, was mir wichtig ist. So war es, und so wird es auch bleiben!"

(RP)
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