Wesel Hoffnung, dem leckeren Dorsch eine Heimat zu geben

Wesel · In der Weseler Lippemündungsaue findet die äußerst selten gewordene Quappe optimale Lebensbedingungen.

Wer in den 70er Jahren Kind oder Jugendlicher war, wird sich vielleicht noch an die getrockneten Urzeitkrebse in der Tüte erinnern, die dem Yps-Heft ("Comic mit Gimmick") beigelegt war. Wer den Inhalt des Beutels in Wasser einrührte, erweckte die Mini-Fossilien zum Leben. An jene Krebse erinnern die winzig kleinen Larven der Quappe. Gut eine Million Exemplare der Raubfischart wurden gestern mit Eimern aus einem großen Wasserbottich geschöpft, den der Lippeverband zum Lippemündungsraum in Bereich Lippedorf gebracht hatte.

Vertreter des Lippeverbandes, der Fischereiverbände Westfalen-Lippe und Rheinland sowie des Zoologischen Instituts der Uni Köln setzten die wenige Wochen alten Larven im Wert von 4000 Euro im flachen Wasser der renaturierten Auenlandschaft ein. Hier finden sie reichlich Nahrung und ausreichend Schutz vor größeren Raubfischen. Beste Bedingungen also, um heranzuwachsen und sich in Lippe und Rhein auszubreiten. Wobei die Projektverantwortlichen beim Ortstermin nicht verschwiegen haben, dass nicht mal ein Prozent der Larven die nächsten Wochen überstehen werden.

Es ist nicht das erste Mal, dass in der umgestalteten Lippemündung Jung-Quappen (lat. Lota Lota) eingesetzt wurden, um diese Fischart wieder anzusiedeln. Vor fast genau einem Jahr waren schon einmal eine Million Larven sanft zu Wasser gelassen worden. Bei einer Befischung im Juni 2015 ging den Forschern ein kapitaler Quappen-Jungfisch ins Netz. "Damit hatten wir gar nicht gerechnet und waren entsprechend erfreut", sagt Jost Borcherding vom Zoologischen Institut der Uni Köln. Begeistert erzählt er, dass man bei der Befischung gut 300 Jungfische pro Quadratmeter gezählt habe. Und dann zählt er die Arten auf: Aland, Brasse, Stichling, Flussbarsch, Zander, Hasel, Döbel und viele andere. Für ihn ein Zeichen idealer Lebensbedingungen.

Reiner Gube, stellvertretender Vorsitzender des Rheinischen Fischereiverbandes, sprach im Anschluss an die "Quappenbesatz-Aktion" von einem "Meilenstein für die Fischerei". Denn er hofft nicht zuletzt, dass sich der zweifelsohne wohlschmeckende Raubfisch in der nächsten Dekade so gut entwickelt, dass er irgendwann einmal von der roten Liste gestrichen werden kann. Grube: "Wenn das hier keine Naturschutzmaßnahme ist, was dann?"

Auch Dr. Uli Paetzel, der neue Vorstandsvorsitzende des Lippeverbandes, ergriff gestern das Wort. "Im Mai 2014 konnten wir die Lippemündungsaue fertigstellen. Es zeigt sich nun immer deutlicher, dass diese rund 2,5 Kilometer lange, naturnahe Flussstrecke inmitten der hundert Hektar großen Auenfläche ein Wegbereiter für die Erhaltung und Wiederansiedlung wichtiger Tier- und Pflanzenarten wird."

Bis in die 1960er Jahre war die Quappe in NRW weit verbreitet. Weil diese Fische für die erfolgreiche Fortpflanzung auf Flachwasserzonen angewiesen sind, war der Rückgang der Art eine direkte Folge der Begradigung von Flüssen. Hinzu kam die zunehmende Verschmutzung der Gewässer bis in die 1970er Jahre. Aktuell leben die letzten 2000 Quappen in NRW im Ober- und Mittellauf der Lippe.

(RP)
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