Analyse Wie Sicher Ist Es An Der Issel? Hochwasser - ein Jahr danach

Wesel · Wenn heute der Starkregen wieder käme, wären die Fluten weiterhin nicht zu bändigen. Denn neuer Hochwasserschutz bleibt in den Instanzen hängen. Immerhin: Maßnahmen sind identifiziert. In Marienthal sollen sie beginnen.

 Ein überschwemmtes Gebiet am Bruchweg in Hamminkeln: Vor einem Jahr stand es komplett unter Wasser.

Ein überschwemmtes Gebiet am Bruchweg in Hamminkeln: Vor einem Jahr stand es komplett unter Wasser.

Foto: Ekkehard Malz

"Pausenloser Kampf gegen die Fluten" titelte unsere Zeitung vor einem Jahr. Es war die Zeit, als die sonst so zahme Issel über die Ufer trat und Hamminkeln bundesweit in die Schlagzeilen brachte. Es war die Nacht zum 1. Juni, als der Starkregen prasselte und bei der ersten Jahrhundertflut das Gebiet der Stadt Hamminkeln quadratkilometerweise unter Wasser setzte. Es war der erste Katastrophenfall mit tagelangem Einsatz gegen die Wassermassen. Niemand dachte daran, dass drei Wochen später der nächste Starkregen auf vollgesaugte Böden und gefüllte Bäche und Seen treffen würde. Das zweite Jahrhunderthochwasser und der nächste Großeinsatz von Feuerwehr, Technischem Hilfswerk, Behörden und freiwilligen Unterstützern.

 Heute grasen dort wieder friedlich Kühe.

Heute grasen dort wieder friedlich Kühe.

Foto: Malz Ekkehart

Ein Jahr danach - was hat sich seitdem beim Hochwasserschutz getan? Das Fazit fällt zwiespältig aus. Es gibt erste konkrete Maßnahmen, die in Marienthal greifen sollen. Es wurden von den Isselverbänden Gräben frei geräumt und von der Stadt Überflutungsflächen rekrutiert. Man hat seit dem Dammdurchstich 2016 im Bereich Vierwinden gelernt, wie und wo dem Isselhochwasser die Spitze zu nehmen ist. Es wurde strukturiert überlegt. Es gibt Gutachten von Pro Aqua mit Forderungen. Doch Taten fehlen. Käme der nächste Starkregen wieder, stünde halb Hamminkeln wohl wieder unter Wasser.

Was im Kampf gegen die Fluten zu tun sein würde, Bürgermeister Bernd Romanski (SPD) wüsste es nach den Erfahrungen aus 2016. Der damals gerade ins Amt gekommene Verwaltungschef erlebte eine Feuertaufe, die bemerkenswert ist. Qualitäten als Krisenmanager bewies er im Zusammenspiel mit Ordnungsdezernent Robert Graaf und Feuerwehrchef Konrad Deckers. "Phänomenal", nennt Romanski die Zusammenarbeit. Sie waren nicht nur gummibestiefelt in überfluteten Wiesen unterwegs, sondern fanden Stellen für Deichdurchstiche zur Entlastung der Issel - und vollzogen sie. Auch am Königsbach in Dingden wurde schnell gehandelt. Die Wege des offiziell ausgerufenen Katastrophenfalls des Kreises Wesel waren den Hamminkelner zu lange.

Und heute? Ja, es hat sich was getan beim Hochwasserschutz, aber die Behördenstrukturen sind kompliziert geblieben, und der Fortschritt ist eine Schnecke. Es wurden mehrfach Gutachten von Pro Aqua von Bürgern und Behörden debattiert. Es gibt einen Katalog mit 30 Vorhaben an der Issel zum technischen und ökologischen Hochwasserschutz. Und im Bereich Vierwinden zwischen Hamminkeln und Blumenkamp haben alle bis auf einen Grundstückseigentümer ihr Ja dazu gegeben, im Hochwasserfall Flächen fluten zu lassen, um den Druck aus der Issel zu nehmen. Der eine Fehlende müsste öffentliches Interesse haben - es soll sich um den Bund handeln, der sich sträubt, Areale abzugeben. In Marienthal entstand schon vor der Flut ein weit gediehenes Konzept, die Issel in einem Nebenlauf ums Dorf zu leiten, Wehre und Brücken neu zu bauen. Es wurde den Bürgern vorgestellt. Planfestgestellt ist das nicht. Keines der debattierten Vorhaben ist planfestgestellt. Geblieben ist auch der Kompetenzkonflikt - zwei Bezirksregierungen, zwei Kreise, fünf Städte und ehrenamtliche Isselverbände sprechen mit. Das Umweltministerium redet auch mit, schließlich gibt es Fördergeld. "Ich sehe keinen, der konsequent auf Schutzmaßnahmen hinarbeitet. Das dauert alles Jahre, das wissen wir. Aber man muss anfangen", sagt Romanski.

Das weitere Problem: Die Finanzierung des Hochwasserschutzes steht in den Sternen. 80 Prozent Förderung - statt sonst nur 60 Prozent - gibt es nur bei ökologischem Hochwasserschutz, also bei auenartigen Überflutungsflächen. Das gilt in Marienthal als Grundbedingung. Romanski weiß: "Viele Landwirte würden viel Fläche verlieren, die ziehen nicht mit." Kontraproduktiv findet er deshalb den Auftritt des BUND kürzlich in Marienthal. Ohne weitere Beteiligte wurde hier propagiert, dem Wasser wieder Fläche zu geben. Gerade daran hapert es.

Weiter ist hier der Kreis Wesel. "Unser Ziel ist die Projektumsetzung. Also Hochwasserschutz zu kombinieren und zu entwickeln bei gleichzeitiger ökologischer Durchgängigkeit der Issel", sagt Ingo Klenke, Gewässerfachmann des Kreises. Der heutige Umflutgraben mit dem schönen Namen Verlorenes Wasser soll als Bypasss ausgebaut, die Brücke am Klosterweg neugebaut werden. Wehre sorgen für den hydraulischen Ausgleich. Es wird gerechnet, es geht um Grundstücke und Genehmigungen. 2019/20 könnte gebaut werden. Das kann der Kreis noch richten. Der Hochwasserschutz, der folgt, steht in den Sternen. Die Zuständigkeit ist vom Kreis zu den Bezirksregierungen gewechselt. Oberbehörden, die nicht gerade für Tempo bekannt sind.

(RP)
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