Wesel Geteiltes Echo auf Aus für Sperrklausel

Wesel · Der Verfassungsgerichtshof hat die 2,5-Prozent-Sperrklausel für die Räte und Kreistage gekippt. Eine Umfrage in der Region zeigt: Nicht alle begrüßen dies.

Dieses Urteil betrifft alle Kommunalparlamente, gespannt waren also auch die Politiker aus Wesel, Hamminkeln, Schermbeck und Hünxe auf das, was der Verfassungsgerichtshof gestern entschieden hat. Im Ergebnis wurde die von SPD, Grünen und CDU auf Landesebene im Juni 2016 beschlossene Sperrklausel von 2,5 Prozent für die Gemeinderäte und Kreistage gekippt. Sie sah vor, dass Parteien und Wählervereinigungen mindestens 2,5 Prozent der Zweitstimmen holen müssen, um in die Parlamente einzuziehen. Das Ansinnen der Antragsteller war, die Arbeit der Räte zu erleichtern. Immer mehr Kleinparteien und Wählerbündnisse würden den Betrieb erschweren, lautete die Begründung.

Überraschend ist, was die Kommunalpolitiker am Niederrhein über das Urteil sagen. Im Gespräch gestern fanden sich kaum Fürsprecher für eine Aufhebung der Sperrklausel. Selbst Vertreter kleinerer Parteien in den Räten wie Helmut Wisniewski von der USD-Fraktion in Hamminkeln oder Klaus Roth von der Fraktion BfB in Schermbeck begrüßten im Prinzip die Idee der Sperrklausel. "Ich hätte auch mit der 2,5-Prozent-Hürde leben können", sagte der Schermbecker Klaus Roth auf Anfrage. Er habe die Sorge, dass künftig mehr Splitterparteien und Einzelkämpfer in den Räten sitzen. Helmut Wisniewski teilt die Befürchtung: "Mehr Parteien, mehr Anträge, längere Sitzungen, aber nicht immer auch bessere Ergebnisse." Auch die Vertreter der großen Parteien, die sich für die Sperrklausel stark gemacht hatten, sind vom Urteil enttäuscht. "Wenn ich die Verhältnisse im Duisburger Rat sehe, wo die Sitzungen teilweise bis nach Mitternacht dauern, weil es so viele Anträge gibt, dann war der Gedanke einer Sperrklausel richtig", sagt Jürgen Linz, Fraktionschef der CDU in Wesel. Ludger Hovest, Fraktionschef der SPD im Weseler Rat, sagt: "In Wesel gibt es zwar aktuell keine Probleme mit Einzelkämpfern, aber ich fürchte, dass damit die Zahl der Parteien im Rat steigt."

1999 war die Fünf-Prozent-Hürde in NRW aufgehoben worden. Seitdem sind immer mehr Kleinstparteien, Protestgruppen und Einzelvertreter in den Räten vertreten. Der Städtetag NRW, der Landkreistag NRW und der Städte- und Gemeindebund NRW machten gestern darauf aufmerksam, dass bis zu 13 Parteien in den Stadträten und Kreistagen in NRW sitzen. Im Hamminkelner und Schermbecker Rat sind es derzeit fünf Fraktionen, im Weseler Rat sechs Fraktionen und ein Einzelkämpfer, in Hünxe fünf Fraktionen und zwei Einzelkämpfer. Bisher sitzt die AfD noch in keinem Kommunalparlament - mindestens sie wird vielerorts bei der nächsten Wahl wohl dazu kommen.

Ein Fürsprecher der neuen Gerichtsentscheidung ist Manfred Schramm, Einzelkämpfer im Weseler Rat. Er ist für die Piraten ins Kommunalparlament eingezogen. 2,27 Prozent der Zweitstimmen hatten die Piraten bei der Kommunalwahl 2014 geholt - mit diesem Ergebnis hätte es nach der von SPD, Grünen und CDU angestrebten Lösung nicht für einen Einzug ins Kommunalparlament gereicht. Die Piraten auf Landesebene mit Manfred Schramm als Geschäftsführer waren einer der Beschwerdeführer gegen die Sperrklausel. Entsprechend froh zeigte sich Schramm gestern. "Das ist ein Sieg für den Rechtsstaat." Er habe als Ratsherr nicht das Gefühl, den Betrieb aufzuhalten. Vielmehr fühle er sich durch die Weseler Verwaltung ausgebremst. Er dürfe als Einzelkämpfer zwar Anträge stellen, aber die Bürgermeisterin müsse entscheiden, ob die auf die Tagesordnung genommen werden. Bisher sei keiner seiner Anträge dort gelandet, sagt Schramm.

(sep)
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