Wesel Geschichte lebt durch Stolpersteine

Wesel · Die Stadt Wesel legt in der Woche der Brüderlichkeit ein neues Faltblatt zu Orten der Erinnerung an Wesels Juden vor. Mit dabei war wieder einmal Ernest Kolman, 1926 in Wesel geboren und 1939 nach England in Sicherheit gebracht.

 Für Ernest Kolman (89) ist das Erinnern an die Weseler Juden eine Verpflichtung, "denn die jungen Leute müssen wissen, was passiert ist".

Für Ernest Kolman (89) ist das Erinnern an die Weseler Juden eine Verpflichtung, "denn die jungen Leute müssen wissen, was passiert ist".

Foto: Ekkehart Malz

Neun Kinder und ihr Lehrer Josef Dannenberg zieren den Titel eines neuen Faltblatts der Stadt Wesel. Eins der Kinder auf dem Foto ist Ernest Kolman. Im Juni wird er 90. Wieder einmal hat der letzte männliche Jude aus Alt-Wesel es sich jetzt nicht nehmen lassen, von London in seine alte Heimatstadt zu kommen. Für ihn ist es eine Verpflichtung, "denn die jungen Leute müssen wissen, was passiert ist". 1926 wurde er als Ernst Kohlmann im Weseler Marien-Hospital geboren. 1934 war er nach Köln gekommen und 1939 von dort aus nach London in Sicherheit gebracht worden. Seine Eltern wurden 1941 in Riga ermordet.

In Wesel trifft Ernest Kolman heute auf Freunde. Sie bereiten ihm stets einen warmen Empfang. Freitag bekam er zur Ankunft sein Lieblingsgericht: Rinderrouladen. Kolman hat bereits ein stattliches Besuchsprogramm absolviert, war Sonntag auch bei der Eröffnung der neuen Sonderausstellung des Heimatvereins Diersfordt im Eiskeller dabei und gestern natürlich im Rathaus bei der Präsentation. Der neue Flyer zeigt, an welchen Stellen in Wesel bereits Stolpersteine liegen, die an die letzten Wohnorte von Opfern des Nationalsozialismus erinnern. 83 Stück sind es seit 2009 vor bislang 28 Häusern. Die meisten in der Innenstadt, eins steht in Büderich. Und es sollen noch mehr werden (siehe Info-Box). Kolman unterstützt das gern. Das Faltblatt listet die bislang bedachten Familien auf und die Standorte der Gedenksteine. Ferner informiert es über die Aktion und die Möglichkeiten, zur Finanzierung beizutragen.

Bürgermeisterin Ulrike Westkamp, Beigeordneter Daniel Kunstleben, Doris Rulofs-Terfurth vom Stadtarchiv und Paul Borgardts vom Jüdisch-christlichen Freundeskreis bedauerten sehr, dass zur Woche der Brüderlichkeit (RP berichtete) jetzt leider keine neuen Stolpersteine verlegt werden können. Die Stadt hatte sich zwar schon früh bemüht, aber Künstler Gunter Demnig, die treibende Kraft der Aktion, ist bundesweit beschäftigt. Aber es gibt einen Termin.

Am 14. Juni sollen die nächsten Stolpersteine in Wesel ins Pflaster kommen. Erstmals wird dabei auch einer verfolgten Sinti-/Roma-Familie gedacht. Die Anregung kam vom Jugendreferat des Evangelischen Kirchenkreises. Wie Rulofs Terfurth gestern berichtete, führten Recherchen zu Wilhelm Rippenberg, 1898 in Wesel geboren, 1943 in Auschwitz ermordet. An der Neustraße hatte der Arbeiter zuletzt gewohnt, seine Familie überlebte die NS-Zeit.

Weitere Stolpersteine sind vorgesehen für Isidor Bongartz (Vater von Ruth Landau, verheiratete Kupfer), Familie Sally Löwenstein, die in die Niederlande floh, verhaftet wurde, aber überlebte und in die USA ging. Ferner für Familie Salomon Marchand, die aus Hamminkeln nach Wesel kam, 1941 nach Riga deportiert und ermordet wurde, sowie für Familie Sally Abrams, deren Tochter rechtzeitig fliehen konnte, während die Eltern in Auschwitz umkamen. Zusammen wären das 14 Stolpersteine, für die teils noch Spender gesucht werden. Sponsoren sind bereits drei Privatpersonen, die Evangelische Jugend, der Lions Club sowie Weseler Schulen, die bekanntlich immer in die Verlegeaktionen eingebunden sind und diese mitgestalten.

(RP)
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