Festival in Wesel Der Chef-Eselrocker

Wesel · Simon Bleckmann hat mit Freunden das Eselrock-Festival erfunden. Er kämpft für Jugendkultur in der Stadt, debattiert leidenschaftlich im Netz, reitet als Bürgerschütze im Zug und kloppt gerne - Karten. Was macht der Typ eigentlich nicht? Porträt eines Rastlosen.

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Foto: Klaus Dieker

Simon Bleckmann hat mit Freunden das Eselrock-Festival erfunden. Er kämpft für Jugendkultur in der Stadt, debattiert leidenschaftlich im Netz, reitet als Bürgerschütze im Zug und kloppt gerne - Karten. Was macht der Typ eigentlich nicht? Porträt eines Rastlosen.

 Simon Bleckmann: Er ist "Mr. Eselrock" in Wesel.

Simon Bleckmann: Er ist "Mr. Eselrock" in Wesel.

Foto: Peters

Es war der 29. Oktober 1993, als endgültig klar wurde, dass Simon Bleckmann ein Mann für die große Bühne ist. Ein Teenager war er damals, und glühender Verehrer des MSV Duisburg obendrein. An jenem Oktobertag durfte der Weseler als "Maskottchen des Tages" für den MSV im Zebrakostüm auflaufen. Heute ist Bleckmann in Wesel vornehmlich bekannt als Cheforganisator des Eselrock-Festivals - er zieht die Strippen im Hintergrund, kümmert sich um die Bands, um Sponsoren, um die Pressearbeit.

Ein Chef - und doch auch das Mädchen für alles. Immer wieder betont er, dass er nur Teil eines Teams sei, dass der Eselrock eben nur durch die Summe der einzelnen Teile funktioniere. 120 Ehrenamtler gibt es, 16 bis 70 Jahre sind die alt. 13 gehören zum Kern-Organisationsteam. Simon Bleckmann sagt: "Wenn ich diese Mannschaft sehe, dann schlägt man Sozialpädagogen-Herz." Es sind Typen wie Simon Bleckmann, die dafür sorgen, dass in einer mittelgroßen Stadt wie Wesel das jugendkulturelle Leben nicht brachliegt. "Ich will hier nicht weg, hier hängt mein Herz. Das ist meine Stadt", sagt der 36-Jährige.

Ein zweites Datum hat er im Kopf, das seine Sozialisation als Bühnenarbeiter geprägt hat. "Das war der 19. Juni 1993, Guns'n'Roses in Köln, der Moment als Gitarrist Slash auf das Piano von Axel Rose steigt." Magie sei das gewesen. Bleckmann war dann rockmusikalisch infiziert, arbeitete später in der Zivildienstzeit im Weseler Jugendzentrum Karo, wo immer wieder auch Rockbands auftreten. Im Studium lebte er eine Zeit lang in Münster, lernte dort soziale Arbeit an der katholischen Fachhochschule.

"Doch selbst da war ich eigentlich häufiger in Wesel als in Westfalen." Die Abschlussarbeit schrieb er über "Jugendkulturelle Musik und Szenebildung am Beispiel Rockmusik in der Region Wesel". Bleckmann hatte beobachtet, dass es in Münster und Region 350 Bands gab, in Wesel aber nur 50. Wie kam das? Bleckmann betrieb Feldforschung und kam letztlich zum Entschluss, dass Wesel ein Musikfestival brauche.

"Wesel brauchte ein Festival"

Vor elf Jahren ging er als Festivalmacher die ersten Schritte. Mit drei Freunden vernarrte er sich in den Gedanken, dass Wesel ein Festival brauche, das man umsonst besuchen kann und das draußen stattfindet. Im September 2007 begann die Planung, 2008 folgte der erste Eselrock. "Am Anfang war es viel Klinkenputzen", sagt Bleckmann.

Durch Schulfreundschaften sei es gelungen, Kontakt zu Reinhard Hofacker vom Vorstandssekretariat der Sparkasse aufzunehmen. Im ersten Jahr kostete das Festival 18.000 Euro - die Sparkasse Wesel war dabei einer der maßgeblichen Sponsoren. "Heute liegen wir bei 100.000 Euro, drehen aber dennoch jeden Euro einmal um, weil wir im Etat bleiben müssen", sagt Bleckmann.

Gagen, Kosten für die Sicherheit - vieles habe sich im Preis verzehnfacht. Die Finanzen hat er nicht von Hause aus gelernt. Er arbeitet heute als Jugendpfleger bei der Stadt Dinslaken, zuvor war er lange im Jugendzentrum Henri in Moers tätig. Privat lebt er mit Freundin Angie, den Katzen Marla und Pebbles sowie dem Labrador-Mischling Jonne in Wesel.

Wer sich die Liste von Bleckmanns Betätigungsfeldern anschaut, der staunt: Neben seinem Hauptberuf ist er als Dozent bei der Hochschule FOM in Wesel tätig, arbeitet als Anti-Gewalt-Trainer, ist nebenbei immer noch im Jugendzentrum Karo tätig, betreut weiterhin Bands und liebt als gepflegte Routine das wöchentliche Doppelkopfspielen mit seinem Vater. Außerdem ungewöhnlich: Als Bürgerschütze ist er im Reiterzug aktiv. Wer regelmäßig auf Wesel-Seiten bei Facebook unterwegs ist, dem kommt Bleckmann ferner unter als leidenschaftlicher Kämpfer für eine Kultur der gepflegten Debatte im Netz. "Ich bin auf jeden Fall ein politischer Mensch, versuche mich in wichtige Fragen dieser Stadt einzumischen."

3000 Bewerbungen pro Jahr für das Eselrock

Ihm sei es dabei wichtig, dass Argumente ausgetauscht werden, dass es um Fakten geht. Dann könne er auch akzeptieren, wenn andere Menschen anderer Meinung sind. Ein sehr emotionaler Typ sei er, es gehe ihm aber um den sachlichen Diskurs. "Man kann nicht immer nur meckern, man muss auch selbst was machen", sagt Bleckmann. Das sei auch die Motivation gewesen, den Eselrock zu erfinden.

3000 Bands bewerben sich jedes Jahr, um auf dem Weseler Rockfestival spielen zu dürfen. Mit fast allen großen Musikagenturen ist das Team im Dialog. Mehr als 600 Konzerte hat Simon Bleckmann schon gesehen und sich dabei ein Bild von Künstlern verschafft, die zum Festival passen könnten. Zum nunmehr 11.

Eselrock haben sich die Punkrocker Rogers aus Düsseldorf angekündigt, ebenso die Band Tonbandgerät. Dass Bleckmann und sein Team es geschafft haben, auch die Hamburger Band Selig zu holen, gilt als kleiner Coup. Trotzdem verliert Bleckmann nicht die Bodenhaftung. "Manche Sachen bleiben, wir räumen immer noch den Müll nach dem Festival selbst weg, wir schmeißen immer noch die Handzettel in die Briefkasten der Anwohner, um auf mögliche Ruhestörungen aufmerksam zu machen."

Vielleicht, so glaubt er, ist jetzt der Punkt, um die Fäden langsam aus der Hand zu geben. Er werde immer noch beim Festival mitwirken, aber einige Aufgaben gehörten nun in die Hände Jüngerer. "Ich gehe auf die 40 zu, das Festival soll es aber auch noch geben, wenn wir es nicht mehr machen als altes Team." In die zweite oder dritte Reihe wolle er rücken, das Label "Mr. Eselrock" behage ihm ohnehin nicht so sehr.

Und wie er da so steht, denkt man: Alles glaubhaft, alles authentisch, aber für die dritte Reihe sind Typen wie Bleckmann nicht gedacht.

(RP)
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